Alle Meinungen einholen – Smart Cities
Städte werden immer vernetzter. Intelligente Systeme können vieles vereinfachen, stellen Behörden und Energieversorger aber auch vor Herausforderungen. Ursula Stocker unterstützt sie dabei, diese Herausforderungen zu meistern. Die Energieplanerin über automatisches Energiesparen, Datenschutz – und weshalb uns das alles nicht vom Selberdenken entlastet.

Energieplanerin Ursula Stocker begleitet Städte und Gemeinden auf dem Weg in eine nachhaltigere Energiezukunft.
Frau Stocker, was macht eigentlich eine Energieplanerin?
Ich begleite Gemeinden und Städte in eine nachhaltige Energiezukunft. In meiner Funktion als Energiestadtberaterin etwa zeige ich auf, wie Kommunen den Energieverbrauch reduzieren und vermehrt auf erneuerbare Energien setzen können. Wir brauchen eine gemeinsame Vision davon, in welchem Zustand wir die Welt an künftige Generationen übergeben.
Smart Cities gelten als Vorzeigemodell einer nachhaltigen Energiezukunft. Wann ist eine Stadt oder Gemeinde aus Ihrer Sicht smart?
Der Begriff ist noch unklar und somit nicht genau fassbar – was aus meiner Sicht eine Chance darstellt. So können wir ein gemeinsames Verständnis erarbeiten, was wir uns unter einer smarten Stadt oder Gemeinde vorstellen. Für mich bedeutet dieses Modell in erster Linie, dass Verwaltung und Politik einer komplexen Vernetzung von Gebäuden, Mobilität und Infrastruktur positiv gegenüberstehen und diese grundsätzlich unterstützen. Die Entwicklung einer Smart City bedingt die Anwendung moderner Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnologien. Und insbesondere auch den Einbezug von Bevölkerung, Interessengruppen und Unternehmen.
Und wenn das alles steht, steigt die Energieeffizienz und sinkt der Energieverbrauch.
Viele hoffen, dass die Energieeffizienz in einer smarten City automatisch steigt – das glaube ich aber nicht. Wir müssen uns immer noch alle an einen Tisch setzen und darüber diskutieren, wie wir die Energiezukunft gestalten wollen. Das Verhandeln über Ziele und Massnahmen nimmt uns auch die smarteste Technologie nicht ab.
Was verändert sich im Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner einer Smart City?
Wir erhalten beispielsweise fortlaufend Visualisierungen unseres Energieverbrauchs im Haushalt. Kosten und Verbrauch optimieren sich gemäss programmierter Zielsetzung. Wir bewegen uns mit Elektroautos von A nach B, finden problemlos Schnellladestationen via Smartphone und profitieren von einem vernetzten, kompatiblen Zahlungssystem.
Welche Rolle spielt das selbstfahrende Auto?
Das selbstfahrende Auto wird wohl nur eines von diversen Fortbewegungsmitteln sein. Möglicherweise gebe ich im Smartphone einen Zielort ein und eine App liefert mir dann einen «Mobilitätscocktail », mit dem ich diesen am schnellsten und bequemsten oder eben vielleicht auch mit der grössten sportlichen Leistung erreiche. Damit eine solche Lösung entsteht, sind auch die Behörden und Energieversorger gefragt: Sie können gemeinsam Angebote für kombinierte Mobilität entwickeln und Infrastrukturen wie Ladestationen an geeigneten Stellen aufbauen.
Gibt es Schweizer Städte, die bereits auf dem Weg dazu sind, eine Smart City zu werden?
Ja, da sehe ich einige gute Ansätze. Vielleicht gibt es noch keine Smart Cities, sondern Gemeinden mit smarten Elementen, beispielsweise der Smart City Tower von Wädenswil. Dieser ist Leuchte, Elektrotankstelle und Datensammelstelle in einem. Übrigens auch ein Projekt, welches das Knowhow von ganz verschiedenen Partnern in einem multifunktionalen Produkt zusammenführt. Auch bekannt sind die Projekte der Städte Winterthur, Basel und Zürich, die in enger Zusammenarbeit mit ihren Stadtwerken am Thema forschen.
Stichwort Smart Meter: Soll eine Stadt smart und vernetzt werden, bedeutet das auch, Daten auszutauschen. Das weckt Unbehagen bei Datenschützern. Bei Ihnen auch?
Ich habe viel Verständnis für das Unbehagen. Aber ich denke auch, dass sich jede Gesellschaft den Herausforderungen stellen muss, die neue technologische Entwicklungen mit sich bringen. Vielleicht hinkt der Regulator diesen hinterher, aber es liegt auch in der Verantwortung der Anbieter solcher Systeme, sich über allfällige negative Auswirkungen Gedanken zu machen. Und an der Gesellschaft, entsprechende Forderungen zu stellen.
Die zunehmend vernetzte und dezentrale Energieversorgung hat auch Auswirkungen auf die Infrastruktur. Was bedeutet das für bestehende Leitungen wie das Gasnetz?
Die Netze werden in Zukunft mehr interagieren – egal, ob sie Gas, Kommunikationssignale oder Strom transportieren. Und gerade in einer Übergangsphase zu mehr erneuerbarer Energie spielt das Gasnetz noch immer eine wichtige Rolle – insbesondere, wenn der Biogas-Anteil im Mix weiter erhöht wird. Gleichzeitig erwarte ich von einem Energieversorger wie Energie 360°, dass er vorausschauend agiert und plant: Wo wollen wir das Netz und die Anschlüsse daran verdichten? Wer fragt Gas auch in 20 Jahren nach? Wie garantieren wir die Angebotssicherheit für unsere heutigen Gaskundinnen und -kunden?
Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
Ich sehe, dass Energie 360° ihre unternehmerische Intelligenz nutzt, um eine nachhaltige Energiezukunft anzustreben. Das verlangt viel Dynamik und Infrastrukturanpassungen. Dazu gehört sicherlich auch der frühe Aufbau von neuen Geschäftsfeldern für den Einsatz erneuerbarer Energien. Ich denke da beispielsweise an die Elektromobilität, Wärmeverbünde, Biogas oder auch an das Engagement von Energie 360° in der Energieplanung der Stadt Zürich. Konkret erwarte ich aber auch, dass Energie 360° etappierte Vorschläge für die Entwicklung der Gasversorgung vorlegt und mit allen Stakeholdern offen diskutiert.
Welche Rolle spielen behördliche Vorgaben dabei?
Die Gemeinden und Städte müssen die Energieversorger bei allfälligen neuen Regulierungen oder Vorgaben frühzeitig einbeziehen, damit deren Investitionssicherheit gewährleistet ist. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass behördliche Vorgaben weniger technologieorientiert und mehr zielorientiert sein sollten. Denn das Kerngeschäft des Staates ist nicht die Technologie, dort sollte er den Markt spielen lassen. Vielmehr sollte er genau wissen, welches Ziel er mit welcher Massnahme verfolgt – beispielsweise mit Emissionsgrenzen eine nachhaltigere Energiezukunft anstreben.
Sie beraten Energiestädte bei der Umsetzung diverser Massnahmen. Welche übergeordnete Idee verfolgen Sie dabei?
Wichtig ist mir, zuerst alle Meinungen einzuholen und daraus nachhaltige und wirtschaftliche Lösungen für die Energieversorgung zu entwickeln. Ich versuche aber auch, der Energiestadt neue, mutige Perspektiven aufzuzeigen. Das ist eine Knochenarbeit, die viel Erfahrung erfordert, aber das gemeinsame Lernen und Vorankommen bereitet mir sehr viel Freude.
Über Ursula Stocker
Ursula Stocker arbeitet seit über 20 Jahren als Energieplanerin. Sie ist Partnerin der Brandes Energie AG. Im Rahmen ihrer Energiestadtberatung begleitet sie Gemeinden und Städte auf dem Weg in eine nachhaltigere Energiezukunft und arbeitet dabei eng mit dem Programm «EnergieSchweiz für Gemeinden» zusammen.
Wir brauchen eine gemeinsame Vision, wie wir die Welt an künftige Generationen übergeben
Energieplanung der Stadt Zürich
Die Stadt Zürich hat ihre Energieplanung überarbeitet. Energie 360° sieht in der neuen Energieplanung eine grosse Chance für die Stadt: Auf Basis des Volksentscheids zur 2000-Watt-Gesellschaft ebnet sie den Weg für weitere umweltschonende Wärmelösungen. Energie 360° realisiert diese und trägt so bei zu einem zukunftsorientierten Umgang mit Energie.
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