«Die Energiewende gelingt uns nur gemeinsam»
Mit einem klimapositiven Holzheizkraftwerk will die Gemeinde Regensdorf ab 2026 ihren Wärme- und Strombedarf zu einem grossen Teil selbst decken. Gemeinderat Max Walter und Claudio Febbo, Gemeindeentwickler bei Energie 360°, erklären im Interview, wie Regensdorf die Energiewende auf kommunaler Ebene vorantreibt.
- 25. Oktober 2022
- Erneuerbare Energien nutzen
- Energieverbund, Energiezukunft, Erneuerbare Energien
Herr Walter, wie sieht die Zukunft der Energieversorgung in Regensdorf aus?
Max Walter: Effizient, nachhaltig und erneuerbar. Als Gemeinde müssen wir diesen Weg gehen, um unseren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Das geht über die reine CO2-Neutralität hinaus. Es braucht auch mehr Autonomie und Versorgungssicherheit in der Schweiz. Da sind wir auf Gemeindeebene an vorderster Stelle gefragt, weil wir Massnahmen vergleichsweise rasch umsetzen können. Damit das gelingt, müssen wir Raumplanung und Energieeffizienz eng miteinander verknüpfen.
Wobei kann Energie 360° die Gemeinde unterstützen, Herr Febbo?
Claudio Febbo: Wir unterstützen Gemeinden wie Regensdorf bereits seit längerem proaktiv dabei, ihre Energiestrategie mit nachhaltigen Lösungen umzusetzen. Das Zeitalter der fossilen Energieträger neigt sich seinem Ende zu, und wir müssen auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Energie 360° hat sich deshalb dazu entschieden, ab 2040 zu 100 Prozent erneuerbare Energie zu liefern. Das bedeutet auch, unsere Gasnetze in thermische Wärmenetze auf Basis von erneuerbaren Energiequellen zu transformieren.
Wie ist die Idee für ein Holzheizkraftwerk in Regensdorf entstanden?
Walter: Erste Gespräche mit Energie 360° haben wir Anfang 2021 geführt. Wir waren daran, unsere Energieplanung zu überarbeiten. Der lokale Rohstoff Holz als Energieträger soll in der Gemeinde eine noch bedeutendere Rolle spielen – zumal wir bereits einen Wärmeverbund mit Holz auf dem Gemeindegebiet haben. Paul Aecherli, ein sehr engagierter Bürger und Unternehmer, hatte bereits Mitte der 90er-Jahre damit begonnen. Heute stehen uns neue Technologien zur Verfügung, um diese Pionierleistungen weiter auszubauen – gemeinsam mit Energie 360°.
Febbo: Unser Ziel ist es, aus den lokal verfügbaren, erneuerbaren Quellen mit einem möglichst hohen Wirkungsgrad Energie zu gewinnen. Um den Energieträger Holz maximal ausnutzen, erzeugen wir mittels sogenannter Pyrolyse (siehe Box) nicht nur Wärme, sondern auch Strom und Biokohle. Gemeinsam mit unserem Technologiepartner Syncraft haben wir 2022 in Frauenfeld eine solche moderne Holzvergasungsanlage in Betrieb genommen. Nach diesem Vorbild wollen wir nun auch in Regensdorf eine vergleichbare Anlage realisieren.
Nach dem Vorbild von Frauenfeld soll auch in Regensdorf ein Holzheizkraftwerk entstehen. Erfahren Sie im Video, wie es funktioniert.
So funktioniert das Holzheizkraftwerk
Energieträger für das Kraftwerk ist Holz aus der Region. Auch Schnittholz, Sturmholz oder von Schädlingen befallenes Holz kann genutzt werden. Im Kraftwerk wird das Holz zunächst bei rund 500 °C getrocknet. Anschliessend entsteht in einem thermochemischen Prozess (Pyrolyse) bei 850 °C das Holzgas. Gasmotoren produzieren daraus erneuerbaren Strom. Die Abwärme aus diesem Prozess speist das Fernwärmenetz. Als Nebenprodukt entsteht Biokohle, die als Futterzusatz und Dünger in der Landwirtschaft verwendet wird. Das im Holz gespeicherte CO2 wird so der Atmosphäre dauerhaft entzogen.
Welche Rolle spielt die Gemeinde-Energieplattform von Energie 360° bei der Energieplanung?
Febbo: Das Energieplanungsunternehmen Brandes setzt die Gemeinde-Energieplattform in Regensdorf bereits ein.
Walter: Regensdorf war Partner im Pilotprojekt zur Gemeinde-Energieplattform. Die Daten haben wir als Grundlage für unsere Energieplanung genutzt. Das Tool ist auch hilfreich bei der Kommunikation der Massnahmen gegenüber der Öffentlichkeit.
Wie steht es um den Rückhalt für die Energiewende in der Bevölkerung?
Walter: Wir haben grosse Unterstützung aus der Gemeinde erfahren. Bereits als wir 2012 das Energiestadtlabel erhalten haben, war der Rückhalt in der Bevölkerung gross. Auch bei grösseren Investitionen in die Energiezukunft konnten wir aufzeigen, dass solche Massnahmen nicht nur kosten, sondern immer auch einen Gegenwert bieten.
Zahlen zur Energieversorgung in Regensdorf
Verbrauch Gemeinde Regensdorf
Strom: 25 GWh/a
Produktion Holzheizkraftwerk
Wärme: 50 GWh/a
Strom: 18 GWh/a
Biokohle: 2000 t/a
Fernwärmenetz (neu): 23 km
CO2-Reduktion: 10000 t/a
Inbetriebnahme: 2026
Dass wir auf grosses Interesse gestossen sind, überrascht nicht: Fernwärme ist eine sehr zuverlässige und komfortable Art der Energieversorgung.
Claudio Febbo, Gemeindeentwickler Energie 360°
Was gilt es beim Bau des Energieverbunds zu beachten?
Febbo: Zunächst braucht es eine gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde, um die kommunale Energieplanung mit dem Bau des Energieverbunds in Einklang zu bringen. Bei der Planung sind ausreichend dicht besiedelte Dorf- oder Stadtgebiete entscheidend. Der Bau von Fernwärmenetzen ist mit hohen Investitionen für Tiefbau und Leitungsbau verbunden. Diese Kosten sind langfristig nur amortisierbar, wenn wir genügend Anschlusskunden gewinnen. Der Energieverbund hat auch Folgen für das Gasnetz. Es ist unwirtschaftlich, im gleichen Strassenzug ein Fernwärme- und ein Gasnetz zu betreiben. Deshalb ist es besonders wichtig, den Fernleitungsbau in Etappen zeitlich mit der Stilllegung des Gasnetzes zu koordinieren. Es wird aber weiterhin Anwendungen geben, in der Gas benötigt wird, etwa in der Industrie oder zur Spitzenlastdeckung von Energieverbünden.

Gemeindeentwickler Claudio Febbo erklärt, wie Energie 360° den Energieverbund in Regensdorf plant.
Wie konnten Sie die Schlüsselkunden vom Projekt überzeugen?
Febbo: Bei einer solchen Projektentwicklung gehen wir stufenweise vor. Zunächst mit einer Machbarkeitsstudie – ohne die Kunden zu involvieren. Danach geht es in die Vorstudie, in der die wichtigsten Kunden einbezogen werden. Im Fall von Regensdorf waren dies rund 80 Schlüsselkunden, die wir persönlich kontaktiert haben. Wir sind dabei auf grosses Interesse gestossen, was auch nicht weiter überrascht: Fernwärme ist eine zuverlässige und komfortable Art der Versorgung. Die Energie wird fertig aufbereitet und platzsparend ins Haus geliefert. Sie kann direkt genutzt werden und der Preis ist stabil – was will man noch mehr?
Ich empfinde die Zusammenarbeit mit Energie 360° als hervorragend und konstruktiv.
Max Walter, Gemeinderat Regensdorf
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde und Energie 360°?
Walter: Ich empfinde sie als hervorragend und konstruktiv; wir gehen mit viel Kraft vorwärts. Ich glaube, man kann nicht viel mehr tun zur gegenseitigen Unterstützung. Das freut mich sehr.
Febbo: Bei der Gemeinde Regensdorf schätze ich die hohe Bereitschaft zum Wandel. Die Unterstützung ist deutlich spürbar. Das hat bereits mit der Energieplanung und der Idee zum Energieverbund begonnen. Wie auch in anderen Gemeinden müssen wir einen politischen Prozess durchlaufen. In Regensdorf ist dieser sehr schnell abgelaufen. Das ist nicht zuletzt auch Max Walter zu verdanken, der die Energiewende in Regensdorf als Fahnenträger vorantreibt.

Gemeinderat Max Walter empfindet die Zusammenarbeit mit Energie 360 als sehr konstruktiv.
Welches sind die nächsten Schritte für den neuen Energieverbund?
Walter: Voraussichtlich im Frühjahr 2023 wird die Stimmbevölkerung in Regensdorf über den Grundstückkauf für den Standort der neuen Energiezentrale abstimmen. Erhalten wir grünes Licht, kann Energie 360° mit dem Bauprojekt beginnen. Die erste Wärmelieferung ist für 2026 geplant, der Ausbau des Fernwärmenetzes wird unsere Gemeinde aber noch die nächsten zehn Jahre beschäftigen.
Welche Optionen bietet das Holzheizkraftwerk für die Zukunft?
Febbo: Mit der Produktion von Wärme, Strom und Biokohle machen wir bereits einen Schritt in die Zukunft. Auf Initiative von Max Walter gehen wir noch weiter und prüfen derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die Produktion von Wasserstoff. Einerseits als Treibstoff, aber auch zur Methanisierung von Wasserstoff, um diesen als erneuerbares Gas ins Netz einzuspeisen.
Walter: Die hier ansässigen Logistikfirmen werden längerfristig auch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge einsetzen und wir könnten dafür eine Wasserstofftankstelle anbieten. So würde Regensdorf eine Vorreiterrolle in der Energiezukunft einnehmen.
Interessieren Sie sich für eine klimapositive Energielösung?
Energie 360° ist Ihre Partnerin für die Planung, die Umsetzung und das Betreiben von Anlagen. Wir sorgen für das effiziente Zusammenspiel von Natur und Technologie und finden eine individuelle Lösung für Sie, Ihr Unternehmen oder Ihre Gemeinde.
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