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«Grosse Datenzentren sind viel effizienter als kleine Serverräume»

Energie ist beim Betrieb von Datenzentren ein entscheidender Faktor. Green steht für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen. COO Andrea Luigi Campomilla über Abwärme, Kühlsysteme und Kundensensibilisierung.

Publiziert 19.09.2024 Lesedauer 5 min

Andrea Luigi Campomilla, in Dielsdorf befinden sich die neuesten Datenzentren von Green im Bau. Wie sieht die Zukunft der Branche aus?

Rechenzentren sind das Rückgrat der Digitalisierung. In Zukunft werden Verkehrsmittel nahtlos miteinander kommunizieren und Daten austauschen, um die Fahrsicherheit zu erhöhen und Staus zu vermeiden. Fortschritte wird es auch in der Medizinaltechnik und im Gesundheitswesen geben. Und bei der künstlichen Intelligenz sowieso. Die Digitalisierung wird extrem zunehmen und damit auch das Datenvolumen. Etablierte Datacenter-Anbieterinnen wie Green bauen daher ihre Kapazitäten zügig aus.

Die Standortanforderungen für Datenzentren sind hoch. Was musste in Dielsdorf erfüllt sein?

Sicherheit ist ein zentraler Faktor. Unsere Standorte werden auf verschiedene Risiken hin überprüft, zum Beispiel in Bezug auf Erdbeben, Überschwemmungen oder Unfälle. Zudem müssen die Distanzen zu unseren weiteren Standorten passen, damit einerseits eine rasche Datenübertragung möglich ist, andererseits aus Sicherheitsgründen genügend Abstand besteht. Für Dielsdorf sprach die gute Erschliessung, etwa die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und das Glasfasernetz. Entscheidend ist aber auch die Energieversorgung.

Gibt es da grosse Unterschiede in der Schweiz?

Unsere Kund*innen verlangen eine doppelt unabhängige Stromanbindung. In Dielsdorf ist dies mit dem Unterwerk der EKZ direkt auf dem Campus und den Unterwerken Steinmaur und Regensdorf gewährleistet.

Die Datenzentren von Green in Dielsdorf werden nach den neuesten Standards gebaut. Dadurch benötigt ihre Infrastruktur nur wenig Energie und die Abwärme lässt sich für einen Energieverbund nutzen.

Datenzentren werden gerne als Stromfresser bezeichnet. Der Unternehmensname Green hingegen wird mit Nachhaltigkeit assoziiert. Wie passt das?

Es sind die Kundensysteme, die Energie brauchen, nämlich rund 70 bis 80 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs eines modernen Rechenzentrums. Doch eigentlich sind wir alle für den hohen Energiebedarf verantwortlich: Wir speichern Daten in der Cloud, streamen Filme und halten Videokonferenzen. Unternehmen sind auf die lückenlose Verfügbarkeit ihrer IT-Systeme angewiesen, die Digitalisierung umfasst die ganze Wirtschaft. Datenzentren sind vereinfacht gesagt Hochsicherheitsgebäude, die jedoch viel effizienter sind als kleine Serverräume von Unternehmen. Für unsere Infrastruktur nutzen wir Strom aus Wasser-, Wind- und Solarkraft. Überhaupt brauchen wir nur wenig Energie, beispielsweise für Sicherheitsanlagen und Zirkulationspumpen.

Und wie kühlen Sie?

Mit Free Cooling nutzen wir die Aussenluft, um die Datenhallen zu kühlen. Das funktioniert bis zu einer Aussentemperatur von 18º C. Danach kühlen wir im Hybrid-Modus, der zusätzlich zur Aussenluft Energie von einem Kältesystem benötigt. Erst wenn draussen 30º C herrschen, sind die Kältesysteme voll in Betrieb.

Entspricht das dem heutigen Standard in Datenzentren?

Für uns bei Green schon. Unsere Datenzentren bieten eine hohe Energieeffizienz und werden kontinuierlich weiterentwickelt. Neben der Minergie-Architektur sorgt die luftdurchlässige Fassade für eine hohe Luftzirkulation innerhalb des Gebäudes und Kaltgänge rund um die IT-Racks ermöglichen eine gezielte Kühlung der Systeme. Zudem justieren wir unsere Anlagen laufend.

Durch den Betrieb der technischen Apparate entsteht in einem Datenzentrum viel Abwärme. Diese soll in Dielsdorf ausgekoppelt und für einen Wärmeverbund genutzt werden. Was muss dabei beachtet werden?

Einerseits hat die Abwärmenutzung Konsequenzen für die Bauweise. Kalt- und Warmluft dürfen sich im Gebäude nicht vermischen. Das ist eine der Grundvoraussetzungen, damit Abwärme effizient ausgekoppelt werden kann. Andererseits fällt die Abwärme in einem Datenzentrum das ganze Jahr über an. Idealerweise sind daher nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer genügend Abnehmer*innen für die Abwärme in der näheren Umgebung vorhanden, etwa landwirtschaftliche Treibhäuser oder Industriezweige, die Prozesswärme benötigen.

Green

Dank dem 1995 gegründeten Internetprovider agri.ch des Schweizer Bauernverbands erhielten zahlreiche Menschen in der Schweiz Zugang zum World Wide Web. 2001 wurde agri.ch zu green.ch und entwickelte sich zu einem der wichtigsten Schweizer ICT-Anbieterinnen mit aktuell über 200 Mitarbeitenden und sechs Datenzentren. Das jüngste Datenzentrum mit einer Leistung von 11 Megawatt hat Green 2023 auf dem Metro-Campus in Dielsdorf realisiert. Zwei weitere Datenzentren befinden sich am selben Standort im Bau und werden ab Sommer 2025 in Betrieb genommen. Für ihre Energieeffizienz wurde Green bereits mehrfach ausgezeichnet, zuletzt im Juni 2024 mit dem «Data Cloud Global Award». 

Lässt sich die Abwärme auch bei bestehenden Datenzentren nachträglich nutzbar machen?

Von Grund auf ist eine Nachrüstung kaum zu bewerkstelligen. Der Betrieb von Rechenzentren ist auf 24 Stunden während sieben Tagen ausgelegt und könnte nicht aufrechterhalten werden.

Was muss sich ändern, damit in Zukunft die Abwärme aus Datenzentren stärker genutzt wird?

Es braucht Abnehmer*innen. Entsprechend ist die Nähe zu Ballungszentren ein weiteres Kriterium für die Standortwahl neuer Datenzentren. Und es braucht Fernwärmenetzbetreiber*innen, die bereit sind, Investitionen ins Netz zu tätigen. In Dielsdorf hatten wir eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Gemeinde und Energie 360°.

Welche technologischen Innovationen würden die Abwärmenutzung effizienter und einfacher machen?

Ich arbeite zurzeit an einer vielversprechenden Idee. Mehr dazu gebe ich jedoch erst preis, wenn sie getestet und patentiert ist. Langsam am Kommen ist die Wasserkühlung. Anders als bei der heute üblichen Luftkühlung ist da keine Wärmeübertragung notwendig, um die Abwärme auszukoppeln. Das macht sie besonders effizient. Eine andere Möglichkeit wäre, die Lufttemperatur zu erhöhen, wodurch das Wasser für den Wärmeverbund stärker erhitzt werden könnte. Aus unserer Sicht liessen sich die Kundensysteme auch bei 30º C sicher betreiben, aber im Moment übernehmen die Hardware-Hersteller*innen noch keine Gewährleistung dafür.

  • «Abwärmenutzung hat Konsequenzen für die Bauweise von Datenzentren. Damit Abwärme effizient ausgekoppelt werden kann, dürfen sich Kalt- und Warmluft im Gebäude nicht vermischen.»

    Andrea Luigi Campomilla

    COO Green

  • «Rechenzentren sind das Rückgrat der Digitalisierung.»

    Andrea Luigi Campomilla

    COO Green

  • Oft heisst es, Abwärmenutzung bringe vor allem der Allgemeinheit etwas, indem Energie eingespart und CO₂-Emissionen reduziert werden. Für die Betreiber*innen von Datenzentren hingegen würden nur Kosten anfallen. Welchen Anteil an den Gesamtkosten hatte die Nutzbarmachung der Abwärme im Fall von Dielsdorf?

    Die Kosten sind auf jeden Fall hoch, höher als ohne Wärmeauskopplung. Green ist jedoch bestrebt, in umweltfreundliche Technologien zu investieren und einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten. Entsprechend war für uns klar, dass wir die Abwärme beim Bau eines neuen Datenzentrums zur Verfügung stellen wollen.

    Was unternimmt Green, um die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz ihrer Datenzentren weiter zu verbessern?

    Der grösste Hebel besteht darin, auf Kundenseite zu beraten und zu sensibilisieren und zusammen mit Lieferant*innen und Partner*innen neue Ansätze zu entwickeln. Und wie gesagt: Im stillen Kämmerlein tüfteln wir auch selbst an technologischen Innovationen.

    Andrea Luigi Campomilla

    Schon als 12-Jähriger baute Andrea Luigi Campomilla den Dynamo an seinem Fahrrad auseinander, um zu verstehen, wie der kleine Generator funktioniert. Während seines Studiums der Elektro- und Energietechnik war er bei Sulzer im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Mit der Liberalisierung des Telekommarktes in der Schweiz wechselte er zu Colt Technology Services, wo er 1999 zusammen mit seinem Team ein erstes Datenzentrum realisierte. Seit 2020 ist er als operativer Geschäftsleiter von Green für den Bau und den Betrieb der Datenzentren zuständig. Er schätzt die kurzen Entscheidungswege bei Green und die Offenheit gegenüber neuen Ideen.

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