«Es reizt mich, nachhaltige Energielösungen zu suchen»
Von der Planung bis zur Inbetriebnahme: Wenn es um die Umsetzung grosser Energielösungen geht, laufen bei Martin Weber und seinen Kollegen viele Fäden zusammen. Der Projektleiter von Energie 360° über planerische, bauliche und zwischenmenschliche Herausforderungen.
- 21. Oktober 2021
- Erneuerbare Energien nutzen
- Seewassernutzung, Zürichsee
Herr Weber, Sie gelten als Mann der «ganz grossen Kisten» bei Energie 360°. Wie würden Sie Ihre Aufgabe beschreiben?
In meiner Arbeit geht es um grosse Projekte im Bereich nachhaltiger Energielösungen. Ob mit Seewassernutzung, Holz als Energieträger, Photovoltaik oder Elektromobilität: Die Bandbreite, erneuerbare Energie sinnvoll zu nutzen, ist gross und spannend. Die meisten Projekte begleite ich von der ersten Entwicklungsphase über die Umsetzung bis zur Inbetriebnahme. Dazu gehören natürlich die sorgfältige Planung, die Projektausschreibung, das Einholen von Offerten, die Wahl der Lieferanten sowie die Begleitung auf der Baustelle, bis die Anlage läuft und an den Betrieb übergeben werden kann. Aber ich bin keinesfalls eine One-Man-Show, wir arbeiten stets im Team und geben unser Wissen gegenseitig weiter.
Für welche Baustellen sind Sie aktuell verantwortlich?
Da gibt’s beispielsweise das Projekt auf dem neuen Areal Stockacker im basellandschaftlichen Reinach, das kurz vor dem Abschluss steht. Dort realisieren wir eine integrale Energie- und Mobilitätslösung für eine Überbauung mit fast 80 Wohnungen. Im Zürcher Stadtteil Tiefenbrunnen befinden wir uns in der Startphase zu einem Wärmeverbundprojekt mit Seewassernutzung. Und hier in Thalwil stecken wir mitten in der Umsetzung des Energieverbunds, der das Zentrum von Thalwil mit Wärme und Kälte versorgen soll.

Die Pumpenzentrale in Ufernähe: In Thalwil setzt Energie 360° unter der Führung von Martin Weber einen Energieverbund für Wärme und Kälte um.
Sie tragen in Ihrem Job ziemlich viel Verantwortung. Was gefällt Ihnen an Ihrer Aufgabe?
Jedes Projekt ist eine neue Herausforderung. Neue Standorte, neue Voraussetzungen, neue Fachleute und neue Entscheidungen, die es zu treffen gilt. Oft unterscheidet sich die Ausgangslage so stark, dass man kaum von den Erfahrungen aus früheren Projekten profitieren kann. Man beginnt wieder bei null und muss neue Energielösungen suchen. Aber das reizt mich und macht das Ganze so spannend. Dass man dabei hin und wieder an die eigene Leistungsgrenze kommt, gehört dazu. Zudem sind diese Grossprojekte auch eine Herausforderung für uns als Firma. Aber wir wachsen stetig daran.
Ihre Projekte kosten Millionen und ziehen sich nicht selten über Jahre hinweg. Das klingt kompliziert …
Gerade das Beispiel Thalwil zeigt, dass wir keine Schnellschüsse produzieren. Wir haben uns seit 2015 mit dem Aufbau einer entsprechenden Energiezentrale und der Suche nach dem passenden Standort befasst. Heute, sechs Jahre später, befinden wir uns mitten in der Umsetzung. Es wird nun unter dem Strich weitere Jahre dauern, bis das ganze Projekt und damit der ganze Kernverbund stehen wird. Klar, dass es in einem solchen Prozess auch Wartezeiten gibt und sich die Dinge verzögern können.

Wärme aus dem Zürichsee: Derzeit finden in Thalwil Bohrungen für das unterirdische Gebäude der Pumpenzentrale statt.
Was genau kann die Realisierung dermassen in die Länge ziehen?
An einem Grossprojekt sind viele verschiedene Anspruchsgruppen beteiligt. Einerseits beansprucht die grundsätzliche Planung viel Zeit. Bei der detaillierten Planung und der baulichen Umsetzung sind Tiefbaufirmen, Haustechniker, Elektrikerinnen und viele weitere Gewerke involviert. Dann kommen Fragen nach dem Sicherheitskonzept, nach Schallschutzmassnahmen und so weiter. Meine Aufgabe ist es, den Überblick nicht zu verlieren und die Fäden zusammenzuhalten.
Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit den Behörden vorstellen?
Bei der Umsetzung grosser Projekte gibt es viele Auflagen zu erfüllen und Bewilligungen einzuholen. Da gehören auch regelmässige Planungssitzungen dazu, sei es mit den Gemeinden, der Polizei oder beispielsweise mit den Verantwortlichen für den örtlichen öffentlichen Verkehr. Wenn wir irgendwo die Strasse aufreissen, muss das genau koordiniert werden.
Zur Person: Martin Weber
Martin Weber, gelernter Heizungszeichner, ist im zürcherischen Säuliamt aufgewachsen. Nach der Technikerschule mit Fachrichtung Heizung hat er diverse Weiterbildungen absolviert, unter anderem in Projektmanagement und integraler Gebäudetechnik und Energie. Martin Weber arbeitet seit acht Jahren bei Energie 360° und wohnt mit seiner Frau und den zwei Söhnen in der Stadt Zürich.
Wie hoch ist der Stressfaktor in Ihrem Job?
Ich würde meine Arbeit nicht als stressig, sondern eher als abwechslungsreich und herausfordernd bezeichnen. Kürzlich hatten wir beispielsweise in Thalwil ein Problem mit einem Bohrgerät. Da stand plötzlich alles still und wir mussten Ersatzteile bestellen, die dann per Express geliefert wurden. So etwas kann im Zusammenhang mit Maschinen immer mal vorkommen. Bei der Zusammenarbeit mit den vielen verschiedenen Ansprechpersonen sowie Bauarbeiterinnen und Bauarbeitern tauchen andere Herausforderungen auf. Zum Beispiel, wenn sich die Leute nicht gut absprechen oder ihren Job nicht richtig machen. Da bin ich als «Tätschmeister» und Vermittler gefragt.
Wo verbringen Sie eigentlich mehr Zeit – auf der Baustelle oder im Büro?
Das kommt ganz auf die Bauphase an. In den Phasen der Lancierung und der Inbetriebnahme eines Projekts bin ich wohl zu 80 Prozent vor Ort im Einsatz und nur etwa 20 Prozent meiner Arbeitszeit im Büro. In den Zwischenphasen ist es oft gerade umgekehrt.

Ein Mann, ein Plan: Wer wie Martin Weber zwischen Büro und Baustelle unterwegs ist, braucht den Durchblick.
Sie betreiben sehr viel Aufwand, um erneuerbare Energie zu fördern. Inwiefern lohnt sich dieser Einsatz?
Der Aufwand lohnt sich allemal. Klar, die Schwierigkeit, solche Projekte umzusetzen, besteht darin, dass es auf Jahre hinaus grosse Vorinvestitionen braucht. Das ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, den sich nicht viele Firmen leisten können. Aber in Thalwil werden wir bis zu 100 Haushalte an den Wärmeverbund anschliessen. Dadurch ersetzen wir Dutzende Öl- oder Gasheizungen durch erneuerbare Heiz- und Kühlsysteme. So sparen wir hier jährlich 2800 Tonnen CO2 ein. Das sind zwar kleine, aber wichtige Schritte im Hinblick darauf, fossile Energieträger langfristig zu substituieren.
«Meine Aufgabe ist es, den Überblick nicht zu verlieren und die Fäden zusammenzuhalten.»
Martin Weber, Projektleiter Energie 360°
Welche Skills sind in Ihrem Job entscheidend?
Ich bezeichne mich als Generalist, der alles zusammenhält. Wichtig ist, dass man Freude an der Arbeit hat und das Grosse und Ganze im Blick behält. Weitsichtig zu denken und zu handeln, ist das A und O. Bei solch grossen Projekten, die Energie 360° umsetzt, ist es wichtig, sich nicht ständig in den Details zu verlieren. Hin und wieder ist ein gewisser Pragmatismus nötig. Den Fokus zu behalten heisst auch, nicht nach Problemen zu suchen, sondern nach Lösungen.
Wie erholen Sie sich?
Ich fahre mit dem Velo zur Arbeit und wieder nach Hause. Wenn ich abends daheim bin, habe ich das Geschäft also bereits weggestrampelt (schmunzelt). Ansonsten verbringe ich viel Zeit mit meiner Frau und unseren beiden Söhnen, gerne auch beim Biken oder beim Skifahren.
Energieverbund in Thalwil
Im Zentrum von Thalwil entsteht derzeit ein Energieverbund zur Versorgung mit Wärme und Kälte durch eine Seewasserfassung. Start der Energielieferung ist im Herbst 2022. Die gelieferte Wärme/Kälte soll zu 90 Prozent aus erneuerbarer Energie bestehen.
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