Meer-Strom
Gezeitenkraftwerke erzeugen mit dem Rhythmus des Meeres Energie. Das älteste Kraftwerk dieser Art steht in der Bretagne. Kein Wunder: Die Region verzeichnet die extremsten Gezeiten Europas.
- 10. Februar 2021
- Erneuerbare Energien nutzen
- Energie, Seewassernutzung
Wo zuvor schroffe Felsen aus dem Meer ragten, glitzert wenige Stunden später die Wasseroberfläche in der Sonne. Die nördliche Küste der Bretagne verändert ihr Antlitz mehrmals täglich komplett. Der Grund dafür sind Ebbe und Flut – die mächtigsten Europas. Bei Flut transportiert der Atlantik enorme Wassermengen in Richtung Ärmelkanal. Das lässt den Wasserspiegel bei diesem Nadelöhr stark ansteigen.
Turbinen fangen Strömung ein Bei der Mündung des Küstenflusses Rance verändert sich der Wasserpegel mit Ebbe und Flut um durchschnittlich acht Meter. Diese Schwankungen macht man sich hier schon seit Jahrzehnten zunutze: 1966 nahm das weltweit erste und jahrzehntelang auch grösste Gezeitenkraftwerk in SaintMalo seinen Betrieb auf. Erst 2011 bauten südkoreanische Ingenieure eine noch grössere Anlage.
Energie anderswo
Immer wieder blickt Energie 360° im Magazin über Zürich und die Schweiz hinaus: Wir berichten, wie andere Länder erneuerbare Energien nutzen, welche Klimaziele sie setzen und wie die ökologische Mobilität andernorts Fahrt aufnimmt.
Wasserkraft dank Fliessbewegung
Das technische Grossprojekt erkennt man aber nicht auf den ersten Blick: Zu sehen ist nur eine Staumauer, welche die beiden Seiten der Flussmündung verbindet. Doch diese Mauer ist das Herzstück des Kraftwerks: Als Damm bremst sie die Gezeiten des Meeres von der einen Seite leicht ab. Das Flussdelta auf der anderen Seite dient als natürliches Rückhaltebecken für die Wassermassen. Bei Flut fliesst das Wasser über 24 Turbinen langsam unter der Mauer hindurch, bei Ebbe zieht es sich auf demselben Weg wieder zurück. Zweimal am Tag geht’s in die eine Richtung, zweimal in die andere – immer im Rhythmus des Meeres. Mit dieser Fliessbewegung generiert das Kraftwerk jährlich 600 Mio. kWh erneuerbare elektrische Energie. Damit liessen sich drei Viertel des Strombedarfs der Stadt Zürich decken.
Das Kraftwerk liefert also einerseits viel klimafreundlichen Strom. Andererseits hat es auch Auswirkungen auf Flora und Fauna vor Ort. So fällt durch das Stauen der Salzgehalt im Rückhaltebecken, weil von der Rance immer weiter Süsswasser zufliesst. Fischen wie den Schollen oder den Sandaalen nimmt dies die Lebensgrundlage. Zudem hält der Damm nicht nur das Wasser, sondern auch Schlamm und Sand zurück. Das führt zur Verlandung des Deltas und verändert den Lebensraum für Tiere zusätzlich.
Wasserkraft in der Schweiz
Als Binnenland kann die Schweiz kein Gezeitenkraftwerk bauen. Dennoch lässt sich die Energie aus unserer Umwelt nutzen, etwa, indem wir Seewasser zum Heizen und Kühlen verwenden – ohne das Ökosystem See zu beeinflussen.
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