Stille Energiegiganten wecken
Die Schweiz ist ein Land der Seen. Die Gewässer sind nicht nur wertvolle Ökosysteme und beliebte Erholungsgebiete, in ihnen schlummert auch ein gigantisches Potenzial zur Gewinnung klimafreundlicher Energie. Dies dank dem Umstand, dass in tieferen Lagen eine konstante Wassertemperatur von circa 4° C herrscht. So eignet sich das Wasser hervorragend für Energieverbünde. Hierfür wird es in eine Energiezentrale gepumpt, wo die Temperatur des Seewassers auf ein Kältemittel in einem separaten Kreislauf übertragen wird. Das Seewasser gelangt unmittelbar zurück an seinen Ursprungsort. Das Kältemittel verdampft durch Kompression und erhöht so seine Temperatur. Die dadurch gewonnene Energie gibt es an das Heizwasser weiter, das im Fernwärmeleitungsnetz zirkuliert. Dabei handelt es sich wiederum um einen separaten Kreislauf. Das Heizwasser wird zu den angeschlossenen Gebäuden des Energieverbunds geführt – und liefert Wärme und Brauchwarmwasser. Nach demselben Prinzip wird übrigens nicht nur das Seewasser, sondern auch das Grundwasser für die umweltfreundliche Wärme- und Kälteerzeugung genutzt.
Das Energiepotenzial ist riesig, denn unsere Seen sind richtige Energiegiganten: Es beträgt rund 8,8 Terawattstunden (TWh), was fast 20% des gesamten voraussichtlichen Schweizer Heizbedarfs im Jahr 2050 entspricht. Energie 360° hat dieses Potenzial erkannt und realisiert in allen Landesteilen der Schweiz klimafreundliche Energielösungen für eine nachhaltige Energiezukunft. Wir stellen vier davon vor.
Tolochenaz
Wärme und Kälte für Medizinaltechnik
In der Nähe von Lausanne nutzt Energie 360° das Wasser des Genfersees, um das Unternehmen Medtronic mit Wärme und Kälte zu versorgen. Über 1000 Mitarbeitende profitieren so am EMEA-Sitz des amerikanischen Medizinaltechnik-Herstellers von klimafreundlicher Umweltenergie. Darüber hinaus ist der Energieverbund mit dem Namen EnerLac so konzipiert, dass er auch erneuerbare Energielösungen für die Industriezonen in Morges und Tolochenaz sowie für rund 1000 Haushalte in der benachbarten Gemeinde Tolochenaz anbieten kann.
Das gut einen Kilometer vom Ufer entfernt in ungefähr 45 Metern Tiefe entnommene Seewasser ermöglicht übrigens nicht nur die Beheizung der Gewerbegebäude. Auch die Kühlung ist möglich, wobei das Free-Cooling-Verfahren eingesetzt wird. Ein Wärmetauscher stellt dabei die Kühlung mit Seewasser sicher, ohne dass zusätzliche Energie benötigt wird. Das Projekt ist zu 100% erneuerbar. Jährlich können damit rund 480 Tonnen CO2 eingespart werden, in der maximalen Ausbaustufe sind es sogar 1620 Tonnen.
Thalwil
Über 100 Liegenschaften versorgt
Am Zürichsee entsteht ein Wärmeverbund, der das Zentrum von Thalwil mit erneuerbarer Wärme und Kälte versorgt. Im Sommer 2020 hat Energie 360° den Realisierungsentscheid getroffen – im Herbst 2022 wird die Heizzentrale dann ihren Betrieb aufnehmen. Bis 110 Liegenschaften können dank dem Projekt von Energie 360° mit Wasser aus dem See geheizt und gekühlt werden. Das zeigt Wirkung: Aktuell kommen rund 5% der in der Gemeinde benötigten Wärmeenergie aus den Energieverbünden. Mit dem Seewasserverbund wird der Anteil auf 13% steigen.
Das Seewasser wird aus ungefähr 25 Metern Tiefe aus dem See gepumpt. In einem Pumpenhaus wird die Energie an einen Zwischenkreis abgegeben, wonach das Wasser wieder in den Zürichsee zurückgeführt wird. In der Energiezentrale produzieren zwei Wärmepumpen das Heizungswasser, das in die Liegenschaften weitergeleitet wird. Die Kälteversorgung erfolgt mit freier Kühlung direkt aus dem Zürichsee. Sie macht sich die tiefe Wassertemperatur zunutze, sodass für die Kühlung keine weitere Energie benötigt wird. Zur Abdeckung der Spitzenleistung im Winter werden zusätzlich zwei Gasheizkessel eingesetzt. Sie ermöglichen es, Heizzentralen wirtschaftlich zu dimensionieren.
Diese können auch bei Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten oder bei Störungen der Wärmepumpenanlage eingesetzt werden, was eine hohe Versorgungssicherheit garantiert. Der Anteil an erneuerbarer Energie beträgt dabei mindestens 90%.
Wir haben heute ein sehr klares Bild davon, wofür unser Unternehmen steht – nämlich für die Transformation von fossiler zu erneuerbarer Energie. Und wir sind bereit für diese Transformation. Neben Verbünden realisieren wir auch immer mehr umfassende Energie- und Mobilitätsprojekte in der ganzen Schweiz.
Romeo Deplazes, Bereichsleiter Lösungen / Stv. CEO
La Punt Chamues-ch
Überbauung nutzt Grundwasser
Im Engadin, unweit von St. Moritz, realisiert Energie 360° einen Wärmeverbund für die Gemeinde La Punt Chamues-ch, die dadurch den Einsatz erneuerbarer Energie fördert. Der Wärmeverbund entsteht im Gebiet zwischen den beiden Dörfern La Punt und Chamues-ch, wo die Gemeinde im Areal Truochs / La Resgia drei neue Wohn- und Geschäftshäuser mit insgesamt zehn Wohnungen und Gewerberäumlichkeiten baut. Diese wie auch die benachbarten Liegenschaften können an den Wärmeverbund angeschlossen werden.
Für die Gewinnung der Energie nutzt der Wärmeverbund das Grundwasser. Herzstück des Systems ist eine Heizzentrale mit zwei Wärmepumpen. Diese erwärmen das Heizungswasser auf zwei verschiedene Temperaturniveaus: ein Hochtemperaturnetz von 62° C für die Altbauten und ein Niedertemperaturnetz von 45° C für Neubauten. Von dort werden die insgesamt acht Liegenschaften über flexible Fernwärmeleitungen mit erneuerbarer Wärme versorgt.
Wohlen
Quartier heizt umweltfreundlich
Vor den Toren Berns versorgt Energie 360° den Kappelenring in Hinterkappelen mit umweltfreundlicher Heizenergie, die mit zwei Wärmepumpen im nahen Wohlensee gewonnen wird. Beim Wohlensee handelt es sich übrigens um einen hundertjährigen Stausee: Er entstand, als die Aare 1920 für den Bau eines Wasserkraftwerks gestaut wurde. Mit seinen dicht beieinanderstehenden Bauten und einer hohen Anzahl Wohneinheiten eignet sich der Kappelenring gut für ein Projekt dieser Art. Hinzu kommt, dass eine grosse Zahl von Heizungen im Quartier gleichzeitig ihr Lebensende erreicht. Deshalb ist der Zeitpunkt für die Realisierung des Verbunds optimal: Die Besitzerinnen und Besitzer der Liegenschaften können ihre alte Heizung ausser Betrieb nehmen und sich nahtlos dem neuen Energieverbund anschliessen. Energie 360° und die Gemeinde Wohlen gehen bereits die Erweiterung des Verbunds an, denn die Heizzentrale kann ausreichend erneuerbare Wärme liefern. Energie 360° übernimmt bei solchen Projekten Planung, Bau und Betrieb. Insgesamt werden die Wärmepumpen mindestens 80% der Wärme liefern.
Energie aus Seen gewinnen
Energie 360° baut für kommende Generationen eine erneuerbare Energieversorgung auf – beispielsweise, indem sie Umweltwärme nutzbar macht. Denn erschliessen wir die Energie, die in unseren Seen gespeichert ist, lassen sich zahlreiche Öl- und Gasheizungen ersetzen. Jedes Seewasserprojekt ist deshalb eine Investition in eine nachhaltige Energiezukunft. Aber wie kommt die Wärme vom See in unsere Stuben? Ein kurzes Video zeigt, wie’s funktioniert.
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