Vom Serverraum ins Quartier: Rechenzentren werden zur Heizung
Rechenzentren verbrauchen viel Energie – und erzeugen trotz zunehmender Energieeffizienz nutzbare Abwärme. Dr. Romeo Deplazes, Bereichsleiter Lösungen und stellvertretender CEO von Energie 360°, sieht darin einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende.
Publiziert 08.09.2025 Lesedauer 5 minRomeo Deplazes, Energie 360° nutzt heute bereits lokal vorhandene thermische Energie für die nachhaltige Wärmeversorgung. Warum sind Rechenzentren eine weitere interessante Abwärmequelle?
Rechenzentren laufen rund um die Uhr und erzeugen dabei konstant Abwärme von rund 30 Grad. Diese lässt sich mit Wärmepumpen auf 75 Grad erhitzen und anschliessend ins Fernwärmenetz einspeisen. Mit der voranschreitenden Digitalisierung nimmt das Abwärmepotenzial von Rechenzentren langfristig zu.
Wie das?
Durch vermehrte Cloudangebote, die Nachfrage nach KI-Diensten und rasant wachsende Datenmengen braucht es laufend neue und grössere Rechenzentren. So steigen die Rechenleistung und der Stromverbrauch kontinuierlich – und damit die Abwärme, die wir zum Heizen nutzen können.
Auch bei hoher Energieeffizienz fällt in Rechenzentren viel Abwärme an – eine ideale Wärmequelle für Energieverbünde.
Was tut Energie 360°, um dieses Potenzial zu erschliessen?
Wir sehen Rechenzentren als eine strategische Wärmequelle der Zukunft. Deshalb bringen wir unser technisches und planerisches Know-how gezielt und möglichst früh in neue Projekte ein. Solche Vorhaben gelingen nur, wenn alle Parteien frühzeitig eingebunden sind und gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wir beraten Gemeinden und Rechenzentrenbetreiber*innen bei neuen Standorten, entwickeln skalierbare Wärmeverbünde und setzen auf moderne Technologien. Ziel ist es, solche Lösungen nicht nur punktuell, sondern langfristig im grossen Stil und flächendeckend umzusetzen.
Energie 360° realisiert in Dielsdorf einen Energieverbund, der ab 2026 die Abwärme der drei Rechenzentren des ICT-Unternehmens Green nutzt. Ein zweiter Energieverbund dieser Art ist in Volketswil im Bau. Was haben Sie bisher aus diesen Projekten gelernt?
Entscheidend ist die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten – von der Gemeinde und den Rechenzentrenbetreiber*innen über die Planer*innen bis zu den Verbundskund*innen. Es ist eine Vision, die wir verfolgen, aber als Unternehmen allein nicht erreichen können. In Dielsdorf und Volketswil zeigen wir, dass solche Kooperationen gut funktionieren. Eine weitere Erkenntnis: Solche Projekte verlaufen nicht gradlinig. Dazu braucht es eine offene Herangehensweise und hohe Agilität in der Planung und Umsetzung.
«Rechenzentren werden zu einem selbstverständlichen Teil der Wärmeversorgung.»
Romeo Deplazes
Bereichsleiter Lösungen/Stv. CEO von Energie 360°
Gleichzeitig bleibt die Technik nicht stehen. Wie verändert das die Art, wie wir Wärme aus Rechenzentren gewinnen?
Das stimmt, Rechenzentren entwickeln sich laufend und rasant weiter. Neue Kühltechnologien wie Flüssigkeitskühlung machen es in Zukunft noch einfacher, die entstehende Abwärme gezielt und effizient zu nutzen. Ausserdem werden moderne Rechenzentren so gebaut, dass sie auch für zukünftige Technologien gerüstet sind.
Rechenzentren werden also laufend optimiert. Bleibt da noch genügend Abwärme übrig?
Effizienz bedeutet nicht, dass keine Wärme anfällt. Die Entstehung von Abwärme ist nämlich direkt mit dem Strombedarf eines Rechenzentrums gekoppelt. Dieser wird in Zukunft eher zunehmen. Moderne Anlagen weisen einen PUE-Wert («Power Usage Effectiveness») von teils unter 1,2 auf. Das heisst, dass die gesamte Anlage 1,2-mal so viel Strom benötigt, wie nur die Rechner brauchen. Am Ende wird aber praktisch der gesamte verbrauchte Strom in Wärme umgewandelt.
Können Sie das genauer erläutern?
Das bedeutet, dass nur rund 20 Prozent des eingesetzten Stroms für den Betrieb der Kühlung, der Beleuchtung und der Infrastruktur des Rechenzentrums benötigt werden. Der übrige Strom fliesst in die Rechner und wird somit in Wärme umgewandelt. Auch wenn moderne Anlagen energieeffizient funktionieren, entsteht sehr viel Abwärme.
Und was heisst das konkret für die Abwärmenutzung?
Entscheidend ist, die thermische Energie möglichst nahe beim Rechenzentrum nutzen zu können. Zudem entstehen neue regulatorische Rahmenbedingungen: Eine Pflicht zur Wärmenutzung bei neuen Rechenzentren ist in Diskussion. Das wäre ein sinnvoller Schritt – und würde Projekte wie unsere zusätzlich stärken.
Wo Daten verarbeitet werden, entsteht Wärme: Moderne Anlagen machen diese Wärme für Quartiere und Gebäude nutzbar, so wie künftig der Green Rechenzentrum-Campus in Dielsdorf (Visualisierung).
Wie unterscheidet sich diese Form der Abwärmenutzung von anderen wie Holzschnitzel, Seewasser oder Kehrichtverbrennung?
Rechenzentren liefern konstant verfügbare Abwärme – und das auf einem vergleichsweise hohen Temperaturniveau. Im Gegensatz dazu haben wir bei der Nutzung von Seewasser eine deutlich tiefere Grundtemperatur, was den Effizienzgrad senkt. Holzschnitzel wiederum sind mit erheblichem logistischem Aufwand verbunden. Zudem ist Holz eine wertvolle, beschränkte Ressource, die nur genutzt werden sollte, wenn keine Alternativen vorhanden sind. Und Kehrichtverbrennungsanlagen befinden sich oft ausserhalb von Ballungszentren – fern von potenziellen Wärmeabnehmer*innen. Rechenzentren hingegen können in der Nähe von Ballungszentren und Städten erstellt werden. Sie erzeugen ganzjährig planbare thermische Energie – genau dort, wo sie gebraucht wird.
Wie stellen Sie sich die Rolle von Rechenzentren in der Energieversorgung der nächsten Jahre vor?
Rechenzentren werden zu einem selbstverständlichen Teil der Wärmeversorgung. Wir sind bereits an der Realisierung zweier Grossprojekte, bei denen die entstehende Abwärme in Fernwärmenetze eingespeist wird, die sich über Gemeindegrenzen erstrecken. Und weitere sollen folgen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in starken Partnerschaften und der Weitsicht, solche Entwicklungen voranzubringen – und natürlich im Know-how. Damit kann unser Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, die Digitalisierung und die nachhaltige Wärmeversorgung zusammenzubringen. Unsere Kund*innen profitieren von einer nachhaltigen Lösung mit geringem Energieverbrauch. Was heute noch Pionierarbeit ist, wird hoffentlich bald zum Standard.
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