Abwärme ohne Grenzen
Die neuen Datenzentren von Green in Dielsdorf liefern viel Abwärme. Zu viel für eine Gemeinde allein. Andreas Denz, Gemeindepräsident Dielsdorf, und Max Walter, Energieverantwortlicher Regensdorf, über ein Projekt, das Grenzen sprengt.
Publiziert 23.09.2024 Lesedauer 4 minDie Ausgangslage: Die Abwärme aus den Datenzentren von Green in Dielsdorf wird für zwei Energieverbünde genutzt, die über 60 Kilometer Netzlänge umfassen und sechs Gemeinden miteinander verbinden. So können rund 7500 Einfamilienhäuser oder 16 000 Wohnungen beheizt werden. In Dielsdorf und Regensdorf wird je eine Heizzentrale erstellt, deshalb kommt diesen beiden Gemeinden eine Schlüsselrolle zu.
Was war Ihr erster Gedanke, als die Idee des gemeinsamen Energieverbunds aufkam?
Andreas Denz (AD): Je mehr Leute von der Abwärme aus den Datenzentren profitieren können, desto besser. Und weil es eigentlich zwei Verbünde sind, mit je einer eigenen Heizzentrale, erhalten wir zusätzliche Versorgungssicherheit. Denn wir können uns gegenseitig Energie einschiessen.
Max Walter (MW): In Regensdorf war ursprünglich ein Holzheizkraftwerk geplant. Als sich die Möglichkeit der Abwärmenutzung auftat, plante Energie 360° um. Zuerst waren wir genervt, da das Holzprojekt bereits gegenüber der Bevölkerung kommuniziert war. Doch es macht natürlich Sinn, vorhandene Wärme zu nutzen und nicht zu vernichten. Umso mehr, als Green die Abwärme kostenlos zur Verfügung stellt. Was finanziert werden muss, sind die Erhöhung der Abwärme auf rund 70º C sowie der Bau, der Betrieb und die Amortisation des Netzes.
Die Vorteile der Abwärmenutzung liegen auf der Hand, gab es trotzdem kritische Stimmen?
MW: Die Umstellung von einem Holzheizkraftwerk auf Abwärmenutzung hatte Konsequenzen, was zu Diskussionen führte. Zum Beispiel braucht die Heizzentrale viel weniger Platz, weshalb uns der Kanton zuerst nur noch einen Teil des geplanten Grundstücks verkaufen wollte. Das konnten wir lösen, indem auf der Restfläche eine riesige Solaranlage gebaut wird, um Strom für die Anlage zu gewinnen. Die Solaranlage rief dann allerdings andere kritische Stimmen auf den Plan.
AD: Teilweise spürten wir bei den Liegenschaftsbesitzer*innen eine Abwehrhaltung. Denn in der frühen Phase des Projekts konnten gewisse Fragen nicht klar beantwortet werden. Zum Beispiel: Ab wann wird Wärme über den Verbund geliefert? Zu welchem Preis? MW: Wobei die Preisgestaltung bei Öl und Gas auch nicht transparenter ist … AD: Stimmt. Zudem herrschte in der Bevölkerung zeitweilig das Gefühl, dass es nicht vorwärts gehe, weil noch keine Baustellen sichtbar waren.
Die Gesamtplanung liegt bei Energie 360°, was ist die Rolle der Gemeinden?
AD: Damit es keine Missverständnisse gibt: Das Projekt liegt voll und ganz bei Energie 360°. Wir als Gemeinde sind nicht involviert.
MW: Das Betreiben einer Fernwärmeanlage ist nicht Sache der Gemeinden. Das sollen Fachleute machen. In Regensdorf überlegen wir uns allerdings, nach Projektabschluss mit Energie 360° eine Aktiengesellschaft zu gründen und unseren Energieverbund gemeinsam zu betreiben.
Also liegt der Erfolg des Projekts auch im Interesse der Gemeinde. Welche Unterstützung können Sie bieten?
AD: Wir werden die Gemeindeliegenschaften an den Energieverbund anschliessen. Ausser dem Gemeindehaus, hier haben wir vor zehn Jahren Erdsonden verlegt und beheizen das Gebäude also bereits umweltfreundlich. Damit haben wir schon sehr früh das klare Signal ausgesandt, dass wir voll hinter dem Projekt stehen. Eine wichtige Aufgabe übernimmt die Gemeinde aber vor allem in der Kommunikation. Wir sind das Bindeglied zwischen den Einwohner*innen und Energie 360°. Uns kennt man. Viele Fragen aus der Bevölkerung gingen denn auch an uns, obwohl wir nicht in der Verantwortung stehen.
MW: In Regensdorf waren wir zusätzlich gefordert, weil wir die Bevölkerung für den Landkauf ins Boot holen mussten. Als Gemeinde können wir Vertrauen schaffen, indem wir mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb wird auch Regensdorf einen Grossteil der Gemeindeliegenschaften an den neuen Energieverbund anschliessen.
AD: Es braucht Leuchttürme mit einem hohen Wärmebedarf. Zum Beispiel grosse Gebäudekomplexe wie Schulhäuser. Dadurch ist es dann auch rentabel, kleinere Einfamilienhäuser, die am Weg liegen, ans Netz anzuschliessen.
An welchen Moment erinnern Sie sich besonders gut?
AD: Der erste Meilenstein war die Entscheidung von Energie 360°, den Energieverbund in Dielsdorf zu realisieren. Der zweite, als sich Green und die Energieanbieterin endlich auf einen Standort für die Energiezentrale einigten. Ich fühlte eine ungemeine Erleichterung, als wir das Projekt nach einer einjährigen Blockade wieder vorantreiben konnten.
MW: Als wir erfuhren, dass wir trotz der Umstellung von Holz auf Abwärme 2026 die erste Wärmelieferung in Regensdorf erhalten, war das ein Highlight. Auch die Anfrage für den Anschluss des regionalen Gesundheitszentrums in Dielsdorf war für mich als dortiger Verwaltungsratspräsident ein toller Moment.
«Gemeinden sollen die Zukunft gestalten, nicht die Gegenwart verwalten.»
Max Walter
Energieverantwortlicher Regensdorf
«Je klarer die Informationen von Energie 360° zu Zeitplan und Preisen sind, desto besser lässt sich die Bevölkerung überzeugen.»
Andreas Denz
Gemeindepräsident Dielsdorf
Welche Herausforderungen stehen Ihnen noch bevor?
AD: Diesen Sommer beginnt der Leitungsbau. Einschränkungen beim Verkehr sind heikel, es wird sich zeigen, wie gross das Verständnis in der Bevölkerung ist. Natürlich nutzt die Gemeinde die Gelegenheit für eigene Arbeiten, etwa an den Wasserleitungen. Allerdings kommen die Leitungen von Energie 360° und von uns nicht auf der gleichen Höhe zu liegen, weshalb zwei Gräben gemacht werden müssen. Da ist es wiederum wichtig, die Bevölkerung abzuholen und aufzuklären.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
MW: Energie ist ein Herzensthema von mir und ich wünschte, man würde weiter in die Zukunft denken. In 30 Jahren wird die Welt eine andere sein. Vor acht Jahren haben wir in Regensdorf berechnet, dass wir rund 92 Gigawattstunden der jährlich anfallenden 108 Gigawattstunden abdecken könnten, wenn optimal ausgerichtete Dachflächen von mehr als zehn Quadratmetern mit Solarzellen ausgestattet würden. Liesse sich die Energie speichern, könnte man allein auf diese Weise die Schweiz autonom mit Strom versorgen.
Was raten Sie anderen Gemeinden, die sich für Energieverbünde interessieren?
AD: Dielsdorf knüpfte die Baubewilligung für die Datenzentren an die Auflage, dass sie ihre Abwärme zur Verfügung stellen. Damit haben wir eine Grundvoraussetzung für den Energieverbund geschaffen. Im Kanton Zürich ist dies mit dem heutigen Energiegesetz zwar Pflicht, aber es zeigt, wie Gemeinden Einfluss nehmen können.
MW: Ja, die Verantwortlichen müssen den Mut haben, auch mal Unkonventionelles zu fordern! Das braucht es, um eine Gemeinde erfolgreich zu führen. Viele begnügen sich damit, die Gegenwart zu verwalten, anstatt die Zukunft zu gestalten.
Die Energieverbünde Dielsdorf und Regensdorf in Zahlen
- 160 Gigawattstunden Wärme pro Jahr (7500 Einfamilienhäuser oder 16 000 Wohnungen)
- 60 Kilometer Netzlänge
Planung und Bau
2021 Start Planungsphase
2024 Leitungsbau Dielsdorf, Verbindungsleitung nach Regensdorf, Bau Energiezentralen
2025 Leitungsbau Regensdorf
2024–2027 Leitungsbau Steinmaur/Niederhasli und Buchs/Dällikon
Erste Wärmelieferungen
2024 Dielsdorf
2025 Regensdorf, Steinmaur und Niederhasli
2026 Buchs und Dällikon
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