Warum die erneuerbare Energiezukunft saisonale Speicher braucht
Mit seiner Roadmap zeigt Nationalrat Jürg Grossen einen Weg in die erneuerbare Energiezukunft auf. Zu den Wegmarken gehört die saisonale Speicherung. Ein Lösungsansatz, der Energie 360° derzeit mit einem Forschungsprojekt untersucht.
- 9. Dezember 2021
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- Energiespeicherung
Die Schweiz kann eine komplett erneuerbare, CO2-neutrale und eigenversorgte Energiezukunft erreichen. Davon ist Jürg Grossen überzeugt. Der Unternehmer, Nationalrat und Präsident der Grünliberalen Partei hat dazu eine Roadmap entwickelt. Sie basiert auf dem Ausbau und der Weiterentwicklung bereits heute vorhandener Technologien wie der Photovoltaik, der Elektromobilität und der smarten Stromnetze. Weil erneuerbarer Strom und besonders Solarstrom wirtschaftlich und effizient ist, wird die Energiezukunft gemäss der Roadmap vor allem elektrisch. Stromspeicher für Stunden und Tage braucht es dabei genauso wie Saisonspeicher. Mit den Pumpspeicher-Kraftwerken sowie den Batterien in und aus Elektroautos bestehen für die Stunden- und Tagesspeicherung bereits bewährte Lösungen. Deshalb stellt sie aus heutiger Sicht die weniger komplexe Aufgabe dar als die Saisonspeicherung.
Jürg Grossen sieht seine Roadmap keinesfalls als einzigen, sondern als einen möglichen Weg, der im Laufe der Zeit auch Kurskorrekturen zulässt: «Die Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen und Argumenten ist für die Gestaltung der Zukunft zentral. Mit dieser Offenheit möchte ich über meine Roadmap diskutieren.»
Roadmap mit fünf Wegmarken
Die Karte zeigt fünf Wegmarken auf. Diese muss die Schweiz erreichen, um bis 2050 CO2-neutral und mit erneuerbaren Energien eigenversorgt zu sein:
- Steigerung der Stromeffizienz: Eine um mindestens 40 Prozent effizientere Stromnutzung ist möglich, insbesondere durch den Einsatz von intelligenten Gebäudesteuerungen und effizienten Elektrogeräten.
- Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Gebäude: Wärmepumpen lösen Öl- und Gasheizungen ab. Der individuelle Personenverkehr und der lokale Güterverkehr fahren künftig mit Strom, der Schwerverkehr mit Wasserstoff, synthetischen oder biogenen Treibstoffen.
- Starker Zubau von Photovoltaik: Neben der Wasserkraft entwickeln sich Solaranlagen zum zweiten tragenden Pfeiler der Energieversorgung. Um den Zubau zu beschleunigen, braucht es unter anderem ein optimiertes Fördersystem und den stärkeren Fokus auf die Produktion von Winterstrom.
- Harmonisierung von Stromverbrauch und -produktion: Über ein Smart Grid funktioniert das Zusammenspiel von erneuerbarer Stromproduktion mit Speichern und Verbrauchern intelligent und effizient.
- Saisonale Speicherung mittels Power-to-X: Sie macht überschüssige Energie im Sommer für den Winter nutzbar, um die Lücke an Winterstrom zu beseitigen. Die Saisonspeicherung erfolgt durch die Speicherkraftwerke (Wasser) mit ihren Stauseen sowie neu mittels Power-to-X-Technologien.
Power-to-X
Das sogenannte Power-to-X-Verfahren nutzt überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien: Durch dessen elektrochemische Umwandlung entstehen flüssige oder gasförmige Energieträger wie zum Beispiel Wasserstoff, Methan oder Methanol. Diese Energien lassen sich flexibel einsetzen, um Fahrzeuge anzutreiben, Wärme zu produzieren oder wieder Strom zu erzeugen, etwa in Brennstoffzellen und Blockheizkraftwerken. Der Vorteil der flüssigen und gasförmigen Energieträger gegenüber Strom liegt darin, dass sie über längere Zeit zwischengespeichert werden können – auch saisonal.
Energie bedarfsgerecht umwandeln und speichern
Mit der saisonalen Speicherung durch Power-to-X-Technologien greift Jürg Grossen in seiner Roadmap einen vielversprechenden Lösungsansatz auf, der in energiepolitischen Diskussionen sonst häufig zu kurz kommt: «Dank der Power-to-X-Technologien lässt sich in den Sommermonaten der Überschuss an Solarstrom bedarfsgerecht umwandeln und speichern. Zum Decken der Winterlücke entsteht aus dem synthetisch hergestellten Brennstoff wieder Strom.»
Damit sie ihr Potenzial ausschöpfen können, brauchen die Power-to-X-Technologien neben starken Industriepartnern einen Anschub der Politik. Deshalb regt Jürg Grossen in seiner Roadmap an, Power-to-X von der Forschung bis zur Realisierung zu fördern.
Speicherung in 1‘000 Metern Tiefe
Grundlagenforschung für eine solche Speicherlösung betreiben zurzeit Energie 360° und die RAG Austria AG mit ihrem internationalen Forschungsprojekt «Underground Sun Conversion – Flexible Storage» (USC-FlexStore): Die sogenannte Geo-Methanisierung wandelt in einem zweistufigen Verfahren überschüssigen erneuerbaren Strom in Methangas um.
Während die Elektrolyse oberirdisch in konventionellen Anlagen abläuft, geschieht die anschliessende Methanisierung und Speicherung unterirdisch. Der Wasserstoff gelangt zusammen mit CO2 in natürliche Untergrundspeicher. In 1‘000 Metern Tiefe verbinden Mikroorganismen die zwei Inputgase zu Methangas. Dieses bleibt gleich in den Speicherformationen eingelagert. Der Betreiber der Speicheranlage fördert es erst bei Bedarf an die Oberfläche. Im Vergleich zu Pumpspeicher-Kraftwerken oder Batteriespeichern lässt sich – bei geringem Oberflächenbedarf – eine viel höhere Speicherkapazität von mehreren Terrawattstunden Energie nutzen.
Valide Entscheidungsgrundlagen
Das Projekt «USC-FlexStore» untersucht technische, betriebliche, wirtschaftliche, ökologische und regulatorische Aspekte der Geo-Methanisierung. Als Schweizer Forschungspartner arbeiten die Universität Bern, die Empa und die Ostschweizer Fachhochschule mit. Das Bundesamt für Energie fördert «USC-FlexStore». Energie 360° übernimmt die Projektkoordination und erbringt den Nachweis für die CO2-Neutralität der Geo-Methanisierung. Voraussichtlich Anfang 2023 liegen die Resultate vor.
Jürg Grossen begrüsst das Projekt: «Mit ‹USC-Flexible Storage› leisten die Projektpartner wichtige Pionierarbeit. Denn die Geo-Methanisierung gehört zu den Power-to-X-Verfahren für die saisonale Speicherung, wie ich sie fordere. Das Projekt liefert handfeste Ergebnisse und valide Entscheidungsgrundlagen dazu, ob es sich empfiehlt, die Technologie weiterzuverfolgen. Die Erkenntnisse fliessen auch in meine Roadmap ein. Sie machen den Weg zur erneuerbaren Energiezukunft wieder ein Stück konkreter.»
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