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Industrielle Abwärme: Abfallprodukt mit Potenzial

Noch wird Abwärme, die bei industriellen Prozessen entsteht, häufig in die Umwelt abgeleitet. Dabei sie ganz schön wertvoll. Besonders die als Stromfresser verschrienen Rechenzentren rücken als Abwärmequelle mehr und mehr in den Fokus.

Publiziert 26.04.2022 Aktualisiert 30.01.2024 Lesedauer 5 min

Computer, Drucker, Küchenmaschine, Kühlschrank – wir sind umgeben von Geräten, die Abwärme produzieren. Tagtäglich, bei jedem Gebrauch. Und doch haben wir wahrscheinlich kaum darüber nachgedacht, was sich mit dieser Abwärme anstellen liesse, wenn sie im grossen Stil anfällt. Denn das tut sie. Zwar nicht bei uns zu Hause, aber bei jeder Produktionsmaschine in der Industrie, jeder Kälteanlage, jedem Serverraum im Büro.

Abwärme ist eigentlich ein Abfallprodukt. Sie entsteht, wenn Strom in Wärmeenergie umgewandelt wird, etwa beim Betrieb technischer Geräte oder bei chemischen Prozessen wie zum Beispiel in Kehrichtverbrennungsanlagen. Mit der Energiewende und der Frage, wie sich fossile durch erneuerbare Energie ersetzen lässt, rückt zunehmend auch die Abwärme ins Blickfeld. Sie eignet sich zum Heizen und für Warmwasser, unter bestimmten Bedingungen lässt sich daraus Strom erzeugen oder sogar Kälte. Wie gross das Potenzial ist, dazu fehlen verlässliche Zahlen. Auch, weil sich die Abwärme in Industriebetrieben durch Energieeffizienzmassnahmen noch vielerorts reduzieren liesse, unter anderem indem man Abwärme aus Kühlprozessen für Aufheizprozesse einsetzt. Klar ist jedoch: Knapp die Hälfte des Endenergieverbrauchs der Schweiz ist der Bereitstellung von Wärme geschuldet. Und davon werden immer noch rund 50 Prozent fossil erzeugt.

Alles rund ums Thema Abwärme als Energiequelle

Wo entsteht Abwärme? Wie lässt sie sich nachhaltig nutzen? Welche Herausforderungen entstehen dabei? Unser Whitepaper beantwortet alle Fragen und zeigt auf, wo sich Abwärme gut als Energiequelle nutzen lässt. 

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CO2-Emissionen reduzieren

Wird Abwärme zum Heizen genutzt, hat das gleich mehrere Vorteile: Erstens fällt Abwärme sowieso an. Zweitens kann auch Abwärme mit tiefen Temperaturen verwendet werden, wie Stefan Ellenbroek, Projektentwickler bei Energie 360° betont: «Es ist energetisch nicht optimal, mit einem Feuer wie bei einer Holzheizung hohe Temperaturen zu erzeugen, nur um etwas Wasser zu erwärmen.» Und drittens wird Abwärme gemäss dem Bundesamt für Energie keiner Primärenergie zugeordnet und gilt deshalb als CO2-neutral.

«Abwärmenutzung ist immer sinnvoll», sagt Ellenbroek, um dann zu präzisieren: «Aber wirtschaftlich lohnt es sich nicht in jedem Fall.» Da ist einmal die Frage, wie viel Abwärme wann zur Verfügung steht. Eine Kehrichtverbrennungsanlage läuft rund um die Uhr, eine Glaceproduktion hingegen eher saisonal – das erschwert die Planung. Weitere Faktoren sind der Aufwand, um die Abwärme auszukoppeln und nutzbar zu machen, sowie das Temperaturniveau der Abwärme, bei dem gilt: je höher, desto besser. Entscheidend ist aber vor allem, ob sich in der näheren Umgebung der Abwärmequelle genügend Verbraucher*innen finden.

Rechenzentren eignen sich aufgrund ihrer konstanten Abwärmeproduktion sehr gut für die Abwärmenutzung.

Rechenzentren eignen sich aufgrund ihrer konstanten Abwärmeproduktion sehr gut für die Abwärmenutzung.

Warme Wohnungen dank Datenzentren

Während die Abwärme von Kehrichtverbrennungsanlagen bereits häufig genutzt wird, sind Datenzentren als Abwärmequelle gerade stark im Kommen. Ihr Pluspunkt: Sie liefern konstant Abwärme in grosser Menge. Und es wird noch mehr werden. «Bei den Rechenzentren herrscht ein regelrechter Boom, welcher wohl noch länger anhalten wird», so Andrea Grüniger, Mitverfasserin der im Jahr 2023 erschienenen Studie «Abwärmenutzung von Rechenzentren – Potenzialstudie und Empfehlung für Betreiber und Gemeinden». Da fällt es weniger ins Gewicht, dass die Abwärme nur etwa 25 bis 30 Grad warm ist. Immerhin lässt sich das Temperaturniveau mit einer Wärmepumpe technisch problemlos auf die zum Heizen und für Warmwasser erforderlichen 70 Grad erhöhen.

Datenzentren sind riesige Stromfresser. Daten aus dem Jahr 2019 zeigen einen Stromverbrauch von rund 2.1 Terawattstunden (TWh). Das entsprach 3.6 Prozent des gesamten Schweizer Stromverbrauchts in jenem Jahr. Für 2026 wird der Stromverbrauch der Datenzentren gar auf 2.7 bis 3.5 TWh geschätzt. Ein Glück, dass diese Energie nicht verloren geht, sondern sich zu einem Grossteil wiederverwenden lässt in Form von Abwärme. Die erwähnte Studie schätzt das nutzbare Potenzial für 2026 auf 2 bis 2.6 TWh. «Damit könnten vier Prozent der Schweizer Privathaushalte mit Heizwärme und Warmwasser versorgt werden», sagt Grüniger, «was den Städten Bern und Genf zusammen entspricht.» Noch wird die Abwärme allerdings erst bei rund der Hälfte der Datenzentren genutzt.

Nähe zu Siedlungsgebiet ist entscheidend

Je moderner ein Datenzentrum, desto einfacher lässt sich die Abwärme auskoppeln. Während sie früher diffus in den Raum verpuffte, werden die Racks heute eingehaust und die kalten und warmen Luftgänge sauber getrennt, damit die Abwärme dort gefasst werden kann, wo sie entsteht – und dies erst noch auf einem höheren Temperaturniveau. Will man die Abwärme später mit grossem Druck durch ein thermisches Netz befördern, müssen die Komponenten gewisse Anforderungen erfüllen. Viel spricht also dafür, die Abwärmenutzung von Beginn weg zu planen. «Wichtig ist vor allem, dass die neuen Rechenzentren in der Nähe grosser Siedlungsgebiete gebaut werden, sonst nützt alles nichts!», so Andrea Grüniger.

Denn der Knackpunkt liegt nicht beim Auskoppeln der Abwärme, sondern beim Fernwärmenetz. Oder wie Grüniger sagt: «Die Energiewende ist kein Hightech-Problem, sondern ein Investitionsproblem.» Wärme ist viel schwieriger zu transportieren als Strom und viel teurer. Es braucht Leitungen von der Abwärmequelle bis zur angeschlossenen Liegenschaft. Investitionen die von den Energieversorgern nur über einen langen Zeithorizont von 20 bis 40 Jahre abgeschrieben werden können. Und hier stellt sich die nächste Herausforderung: Denn im Gegensatz dazu plant die Industrie oft in viel kürzeren Zyklen von fünf bis zehn Jahren. Ausserdem bringt ihr die Abwärmenutzung ausser einer guten Reputation kaum direkte Vorteile. Demnach wollen sie sich auch nicht langfristig verpflichten.

Gemeinden spielen eine Schlüsselrolle

Das hat Konsequenzen für die Energieversorger, wie Stefan Ellenbroek deutlich macht: «Die Abhängigkeit von einem Produktionsprozess, bei dem die Abwärme nicht primäres Ziel-, sondern nur ein Nebenprodukt ist, macht die Planbarkeit und die Risikoabschätzung viel komplizierter.» Es braucht immer einen Plan B, falls die Abwärmequelle einst versiegen sollte. Umso wichtiger wäre eine Risikoabsicherung, wie sie derzeit im Zuge der Revision des CO2-Gesetzes in Diskussion ist. Und was lässt sich sonst noch machen, um die Abwärmenutzung zu fördern? Grossen Handlungsbedarf sieht Andrea Grüniger bei den Gemeinden und Kantonen: «Sie müssen die Thematik Abwärme in die räumliche Energieplanung aufnehmen und ihrer Koordinationsrollegerecht werden. Bei so vielen Akteuren an Bord braucht es jeweils jemanden, der das Projekt zu seinem Baby macht.»

So funktioniert’s: Wie aus Abwärme Heizwärme wird

Steht die Abwärme nicht bereits in Form von warmem Wasser, sondern von warmer Luft zur Verfügung, wird sie über einen Wärmetauscher auf das Medium Wasser übertragen. Bei niedrigen Temperaturen lässt sich das Temperaturniveau mit einer Wärmepumpe auf 70 bis 80 Grad anheben. Das heisse Wasser gelangt sodann über eine gut isolierte Fernwärmeleitung bis zu den Liegenschaften der Abnehmer*innen. Dort wird die Wärme wiederum mit einem Wärmetauscher an das Heizsystem und die Warmwasseraufbereitung des Gebäudes übertragen. 

  • «Es braucht innovative Energieversorger, welche die hohen Investitionen für die thermischen Netze tätigen.»

    Andrea Grüniger

    Energieexpertin

  • Energie aus Abwärme für Meilen

    Die Abwärme der Delica AG wird in den Energieverbund Meilen eingespeist und versorgt umliegende Liegenschaften mit erneuerbarer Energie, die zum Heizen und zur Warmwasseraufbereitung eingesetzt wird.

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