Umsichtige Holznutzung schafft Mehrwert
Auf der Suche nach erneuerbaren Energiequellen wurde viel Hoffnung in die Ressource Holz gesetzt. Doch das wertvolle Gut aus unseren Wäldern verdient es, massvoll eingesetzt zu werden. Trotz Dringlichkeit bei der Energiewende.
Publiziert 24.04.2024 Lesedauer 6 minSeit jeher dient Holz dem Menschen nicht nur als Baumaterial, sondern auch zum Heizen. Es ist regional verfügbar und wächst laufend nach. Kein Wunder also, dass man annahm, die Lösung des Energieproblems finde sich direkt vor unserer Haustür. Und so wurden landauf, landab Verbrennungsanlagen und Holzheizkraftwerke gebaut, um Strom und Wärme zu gewinnen. Doch inzwischen hat sich der Wind gedreht. Bei Energie 360° liegt Holz nach industrieller Abwärme und Umweltwärme, wie beispielsweise durch Seewasser, in der Priorisierung der einzusetzenden Energiequellen nur noch auf dem dritten Platz. Was ist passiert?
Starke Nachfrage nach Energieholz
In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Energieholz laufend gestiegen. Knapp 5,2 Millionen Kubikmeter Holz wurden gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) 2022 in der Schweiz gesamthaft geerntet. Davon waren 2,1 Millionen Kubikmeter Energieholz – rund 7% mehr als im Vorjahr. Gründe für den markanten Anstieg waren das wachsende Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels und damit zusammenhängend Förderprogramme für erneuerbare Energien. Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise gab der Holzenergie einen weiteren Schub.
Schweizweit gibt der einheimische Wald gemäss Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Moment noch genug Holz her. Doch mit Blick auf die geplanten Holzfeuerungsanlagen warnt die Expertenstelle: Wenn es so weitergeht, wird die wertvolle Ressource knapp. In gewissen Regionen ist das schon heute der Fall. So muss beispielsweise der Kanton Zürich Energieholz importieren, um seinen Bedarf decken zu können.
Ausserdem darf nicht vergessen gehen, dass es nicht nur Energieholz braucht, sondern auch Holz zum Bauen sowie Industrieholz, etwa zur Herstellung von Papier. Zwar nimmt die Waldfläche in der Schweiz zu, doch die Wälder dehnen sich vor allem in den Bergregionen aus, wo Holz schwieriger zu ernten und dadurch teurer ist. Erschwerend kommt hinzu, dass der Klimawandel dem Wald zusetzt. Es gibt mehr geschädigte Bäume und es wachsen weniger junge Bäume nach.
Verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung
Dabei ist die Gesundheit des Waldes immens wichtig, übernimmt er doch zahlreiche Funktionen: Er filtert Wasser, speichert CO2, bietet der Bevölkerung Erholung und Sicherheit, indem er Siedlungen und Verkehrswege vor Naturgefahren schützt. Vor allem aber beherbergt das komplexe Ökosystem einen unglaublichen Reichtum an Leben. Rund 25 000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sind vom Wald abhängig. Das entspricht 40% aller Arten in der Schweiz.
Deshalb werden die Wälder sorgfältig gepflegt und ihr Zustand genau überwacht. Die Bewirtschaftung des Waldes ist in der Schweiz streng geregelt. So heisst es im Bundesgesetz: «Die Waldfläche soll nicht vermindert werden.» Gleichzeitig ist Pflege wichtig, damit sich der Wald regelmässig verjüngt. Werden einzelne Bäume gefällt, fällt mehr Licht auf den Waldboden und es können sich andere Baum- und Pflanzenarten ausbreiten. Das fördert die Biodiversität und macht die Wälder widerstandsfähiger.
Es gibt aber auch kritische Stimmen, die in der Waldbewirtschaftung eine Gefahr für die Biodiversität sehen. Alte, umgestürzte Bäume bieten Tieren und ihrem Nachwuchs Unterschlupf. Totholz ist Lebensraum für Pilze, Flechten sowie unzählige Insekten, die wiederum als Nahrungsgrundlage für Vögel dienen, die ihrerseits Samen von Pflanzen verbreiten und so zu deren Überleben beitragen. Gerade alte Bäume und Totholz finden sich in bewirtschafteten Wäldern aber zu selten.
Kaskadennutzung schafft Mehrwert
Wertvoll ist der Wald auch für das Klima. Während ihres Wachstums wandeln Bäume CO2 aus der Luft in Kohlenstoff um. Dieses bleibt in der Biomasse gespeichert, bis das Holz Jahrzehnte später natürlicherweise verrottet. Oder bis es verbrannt wird. Weil dabei nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie der Atmosphäre zuvor entzogen wurde, galt Heizen mit Holz bis vor Kurzem als CO2-neutral. Unterdessen wird der Begriff zurückhaltender verwendet. Das Ziel ist heutzutage vor allem, CO2 so lange wie möglich zu binden. Die Pyrolyse von Holz ist deshalb eine interessante Alternative zum reinen Verbrennungsvorgang. Dabei wird der Rohstoff in Strom und Wärme umgewandelt. Zusätzlich entsteht Pflanzenkohle, die einen Teil des freigesetzten Kohlenstoffs langfristig bindet.
Ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist auch die so genannte Kaskadennutzung, die allerdings noch in den Kinderschuhen steckt. Geerntetes Holz wird zuerst für möglichst hochwertige Zwecke eingesetzt, also beispielsweise zum Bauen oder für Möbel. Später wird es recycelt und für eine minderwertigere Nutzung verwendet, z. B. in der Industrie für Holzfaserprodukte. Erst zum Schluss erfolgt die energetische Verwertung.
Wird Holz schlussendlich verbrannt, werden neben CO2 auch klimaschädliche Stoffe wie Stickstoffoxide und Feinstaub freigesetzt. Dank neuster technologischer Standards sind grosse Verbrennungsanlagen und moderne Pelletheizungen jedoch viel umweltfreundlicher, als wenn wir im Wald einen Cervelat über dem Feuer bräteln oder es uns vor dem offenen Cheminée gemütlich machen. Auch die Asche erfordert besonderes Augenmerk, da sie schädliche Schwermetalle enthält und deshalb als Sondermüll gilt.
Wertvolle Ressource gezielt einsetzen
Trotz aller Schattenseiten ist Holz fossilen Brennstoffen klar vorzuziehen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass das Energiepotenzial der wertvollen Ressource voll ausgeschöpft wird. Deshalb setzt Energie 360° bevorzugt dann auf Holzverbrennung, wenn hohe Temperaturen erzeugt werden müssen, etwa für Prozessenergie oder wenn es keine technologisch sinnvolle, lokale Energiequelle gibt.
Zudem arbeitet Energie 360° stetig daran, die Holzbeschaffung nachhaltiger zu gestalten. Schon heute ist klar definiert, dass nur Holzschnitzel und Pellets mit dem Gütesiegel «Schweizer Holz» sowie FSC- oder PEFC-zertifiziertes Holz aus der Schweiz oder aus dem grenznahen Ausland verwendet werden. Die Pellets bestehen gar zu 100% aus Restholz.
Für einen Wald im Gleichgewicht
Holz ist zwar ein wichtiges Puzzleteil, um die Energiewende voranzutreiben, aber für Energie 360° nicht die erste Wahl, wenn es darum geht, fossile Brennstoffe zu ersetzen. Einerseits weil heute insbesondere beim Heizen eine grössere Bandbreite an erneuerbaren Energien besteht. Andererseits weil der Wald als CO2-Senke und als unersetzliches Ökosystem höchste Rücksichtnahme verdient.
Holz optimal verwerten dank Kaskadennutzung
Michael Reinhard, Chef der Abteilung Wald beim Bundesamt für Umwelt (BAFU), über die optimale Verwertung von Holz angesichts der steigenden Holznachfrage und des Klimawandels.
In den vergangenen Jahren wurde Holz eine Schlüsselfunktion in der Energiewende zugesprochen. Heute sucht man verstärkt nach anderen alternativen Energiequellen, etwa Abwärme. Weshalb?
Einerseits ist die Holzmenge im Schweizer Wald begrenzt. Das noch verfügbare Energieholzpotenzial könnte rasch ausgeschöpft sein, weil aktuell zahlreiche grössere Holzfeuerungsanlagen geplant sind oder realisiert werden. Andererseits sollte Holz aus Sicht des Klimaschutzes lange in Verwendung bleiben und erst am Ende seines Lebenszyklus, wenn keine andere Anwendung mehr möglich ist, als Energiequelle genutzt werden. Allerdings überstiegen 2021 die Energieholzpreise erstmals diejenigen des Industrieholzes. Damit konkurrenziert Energieholz die stoffliche Verwertung von Holz, bei welcher der Rohstoff länger im Kreislauf bleibt, beispielsweise als Bauprodukt, Möbel oder als Frischfaser in der Papier- und Kartonherstellung.
Wie lässt sich das Maximum aus der Ressource Holz herauszuholen?
Holz ist nicht gleich Holz. So muss Bauholz für ein Gebäude eine viel höhere Qualität aufweisen als Energieholz. Für eine optimale Verwertung der Ressource ist deshalb der Kaskadenansatz besonders bedeutsam. Dabei soll am Anfang der Kaskade jene Verwertungsart stehen, welche die höchste Wertschöpfung aufweist, ökologisch den grössten Nutzen stiftet und eine breite Mehrfachnutzung ermöglicht. Holz könnte also zuerst als Ersatz für energieintensive Baustoffe dienen, um später energetisch verwertet zu werden. Für eine vollständige Kaskadennutzung fehlen in der Schweiz allerdings Holzverarbeiter auf mehreren Stufen, etwa Zellulosehersteller.
Was ändert sich durch den Klimawandel?
Kurzfristig führt der Klimawandel voraussichtlich zu einem Überangebot an Holz auf dem Markt, denn aufgrund von Dürren und Krankheiten müssen Bäume oft frühzeitig gefällt werden. Dies könnte den Wäldern sogar dabei helfen, sich an den Klimawandel anzupassen. Schliesslich besteht die Hoffnung, dass sich die neue Baumgeneration unter anderem durch eine naturnahe und klimaadaptierte Waldpflege besser regenerieren kann. Trotzdem müssen wir uns mittel- bis langfristig auf einen geringeren Zuwachs in den Schweizer Wäldern und damit auf einen Rückgang der Holzproduktion einstellen.
Michael Reinhard, Chef der Abteilung Wald beim Bundesamt für Umwelt
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