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«Es ist ja eigentlich schon alles da»

Haaike Peeters ist Energiebeauftragte von Meilen. Sie weiss, was es braucht, um als Gemeinde erfolgreich Energie zu sparen. Sie findet zudem, dass Gemeinden mehr auf regionale Energieträger setzen sollten.

Publiziert 21.03.2022 Lesedauer 5 min

Frau Peeters, welche Ziele hat sich die Gemeinde Meilen in Bezug auf die Energieversorgung gesetzt?

Wir orientieren uns am Netto-Null-Ziel des Bundes bis 2050. Das heisst, wir wollen bis dahin klimaneutral sein und nicht mehr Treibhausgase ausstossen als von natürlichen und technischen Speichern aufgenommen werden können. Konkret stammt der Strom für uns Meilener*innen bereits aus 100% erneuerbaren Energiequellen. Wir möchten aber noch stärker auf regionale Solarenergie setzen. Bei der Wärmeversorgung sind wir in Meilen über alle Liegenschaften betrachtet aktuell zu 35 % erneuerbar. Da gibt es tatsächlich noch ein grosses Potenzial.

Wie zufrieden sind Sie mit dem bisher Erreichten?

Wir sind sehr zufrieden. Eine Energiebilanz basierend auf Daten von 2019 hat gezeigt, dass wir auf den Absenkpfaden in Richtung Netto-Null besser unterwegs sind als die Schweiz im Durchschnitt. Trotzdem gibt es noch viel zu tun.

Welche konkreten Projekte und Massnahmen hat die Gemeinde bereits umgesetzt?

Erfolgreiche und längerfristige Projekte sind zum Beispiel «solarMeilen»: Einwohner*innen kaufen Bezugsrechte für Strom von Photovoltaikanlagen, die wir auf Dächern von Gemeindegebäuden installiert haben. Mit einem Ökologiefonds fördern wir zudem Vorhaben zur Nutzung von erneuerbaren Energien. Sehr gefragt sind unsere kostenlosen zweistündigen Energieberatungen. Die Gemeinde hat ebenfalls 2016 den Energieplan aktualisiert und erweitert – und so Prioritätsgebiete für die Nutzung von Energiepotenzialen festgelegt. Einen solchen Plan zu haben, ist nicht für jede Gemeinde selbstverständlich.

Welche Projekte stehen noch an?

Im Rahmen der Energieregion bestehend aus den Gemeinden Uetikon am See, Herrliberg, Männedorf und Meilen organisieren wir das Projekt «erneuerbar heizen». In einem ersten Schritt geht es darum, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Konkret veranstalten wir Informationsanlässe, an denen wir die verschiedenen Möglichkeiten eines Heizungsersatzes aufzeigen. Ausserdem werden wir einen Wärmekataster erstellen. Dieser enthält Informationen zu Art, Alter und Grösse der Heizungen in jeder Liegenschaft auf dem Gemeindegebiet. So lassen sich Cluster visualisieren und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen. In einem Quartier mit hohem Anteil an Wärmepumpen ergibt sich so ein anderer Handlungsbedarf als in einem Quartier mit vielen Ölheizungen. Der Kataster ist ein wichtiger Schritt, um unseren Energieplan weiterzuentwickeln.

Welche Massnahmen funktionieren gut?

Sicherlich diejenigen, die relativ schnell einen sichtbaren Effekt für die Menschen haben, die konkret mitmachen möchten. «solarMeilen» zum Beispiel. Hier können auch Einwohner*innen lokalen Solarstrom beziehen, die in einer Mietwohnung leben oder deren Eigenheim weniger geeignet ist, zum Beispiel aufgrund von Denkmalschutz oder Ausrichtung. Beliebt ist auch unsere Wärmepumpen-Check-Aktion. Das ist im Prinzip eine Betriebsoptimierung, die nach ein bis zwei Jahren Laufzeit erfolgt. Wir zeigen anhand einer Heizkurve konkret auf, ob eine Heizung einwandfrei funktioniert.

Das sind Beispiele, die im Kleinen ihre Wirkung entfalten. Wir haben aber natürlich auch mehrere Wärmeverbünde. Energie 360° zum Beispiel pumpt Wasser aus dem Zürichsee zu den Kühlanlagen der Guetzli- und Glaceherstellerin Delica AG. Durch die Kühlung und weitere Produktionsprozesse entsteht Wärme, mit der wir die umliegenden Liegenschaften klimafreundlich heizen. Dank der Nutzung der Abwärme reduzieren wir fossile Energie. Gemeinsam sparen die Liegenschaftsbesitzer*innen in Zukunft so bis zu 3000 Tonnen CO2 ein. Das entspricht etwa 850 000 Litern Heizöl im Jahr.

Welche Massnahmen haben weniger gut funktioniert?

Wir haben an einem Pilotprojekt für ein Leihfahrradsystem teilgenommen, wo aber leider das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht stimmte. Die entsprechende Studie hat uns aber wiederum wertvolle Informationen zur Mobilität in der Gemeinde generell geliefert.

  • Konkret stammt der Strom für uns Meilener*innen bereits aus 100% erneuerbaren Energiequellen.

    Haaike Peeters

    Energiebeauftragte der Gemeinde Meilen

  • Ich rate den Gemeinden: Packen Sie die Energieplanung jetzt an.

    Haaike Peeters,

    Energiebeauftragte der Gemeinde Meilen

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    Bei Ihnen als Energiebeauftragter treffen unterschiedliche Ansprüche und Forderungen aufeinander. Wie schaffen Sie es, zwischen teils gegensätzlichen Positionen einen Konsens zu finden?

    Wenn man einen guten Austausch pflegt und gegenseitige Meinungen respektiert, habe ich noch immer einen Konsens gefunden. Man muss einfach gut kommunizieren und mit den Menschen reden, das finde ich entscheidend.

    Welche Faktoren müssen bei einem Projekt zwingend schon zu Beginn feststehen, damit es erfolgreich umgesetzt werden kann?

    Es braucht ein klar definiertes Ziel und einen Plan, wie Sie es erreichen wollen. Das klingt banal, ist aber sehr wichtig. Das Projekt muss also möglichst konkret und schon ausgearbeitet sein. So überzeugen Sie auch potenzielle Geldgebende. Sagen Sie nicht, dass Sie innerhalb von X Jahren Y Photovoltaikanlagen installieren möchten, sondern wo genau und wann – und was sie kosten. Es braucht also sehr viel Vorarbeit, damit ein Projekt ein Erfolg wird.

    Wie hoch ist die Akzeptanz in der Bevölkerung für Projekte mit einem energetischen Nutzen?

    Studien haben gezeigt, dass die Akzeptanz der Bevölkerung in Städten mit Energiestadt-Label grösser ist als anderswo. Während die Schweizer Stimmbevölkerung das CO2-Gesetz im Sommer 2021 abgelehnt hat, wäre es in Meilen mit dem Energiestadt-Label «Gold» durchgekommen. Für uns heisst das: weitermachen!

    Wo sehen Sie generell in der Schweiz das grösste Potenzial für eine nachhaltige Energieversorgung?

    Bei den regionalen Energieträgern. In Meilen haben wir den See – damit betreiben wir einen Wärmeverbund. Wir haben Wälder und damit Holz auf dem Pfannenstiel – damit lässt sich heizen. Es ist schon alles da, wir müssen es nur nutzen! Und so glaube ich, dass jede Gemeinde in der Schweiz irgendwie die Möglichkeit hat, regionale Energieträger zu verwenden – oder sich zumindest mit einer Nachbargemeinde zusammenzuschliessen.

    Zur Person Haaike Peeters

    Seit August 2020 ist Haaike Peeters Energiebeauftragte der Gemeinde Meilen und Mitglied der Energiekommission. Sie begleitet die Umsetzung der Energieplanung auf planerischer und operativer Ebene. Die gebürtige Belgierin versucht, wann immer möglich, ihren Arbeitsweg von Winterthur nach Meilen mit dem E-Bike zurückzulegen.

    Was raten Sie anderen Gemeinden, die ihre Energieplanung vorantreiben wollen?

    Dass sich die Gemeinde von Anfang an fachlich abstützt. So entstehen nicht bloss Pläne auf Papier, sondern praktikable Lösungen. Analysieren Sie Ihre Gemeinde: Gibt es eine grosse Fabrik oder eine Abwasserreinigungsanlage, die als «Auslöserin» für einen Wärmeverbund dient, wie wir ihn zum Beispiel mit Energie 360° umsetzen? Wenn nicht, was gibt es für andere Möglichkeiten, die Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten?

    Wie lange hat es in Meilen von der Idee einer Energieplanung bis zur konkreten Fertigstellung eines Projekts gedauert?

    Ein aktuelles Beispiel: Wir wissen von einigen Gemeindeliegenschaften, dass ein Heizungsersatz in den nächsten fünf bis zehn Jahren angesagt wäre. Also ist jetzt der Zeitpunkt dafür, die Machbarkeit eines Wärmeverbunds mittels Studien zu überprüfen. Denn wenn eine Heizung plötzlich aussteigt, ist es zu spät. Wir müssen also vorbereitet sein. Deshalb rate ich Gemeinden: Packen Sie die Energieplanung jetzt an. Denn früher oder später führt kein Weg daran vorbei. Warum also warten?

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