«In der Erneuerung von Kälteanlagen liegt enorm viel Potenzial»

Seit einem Jahr nutzt die Delica AG Seewasser für ihre internen Kühlprozesse. Damit macht das Unternehmen einen grossen Schritt in Richtung nachhaltige Produktion. Markus Müller, Energiemanager bei der Delica AG, spricht über das komplexe Projekt, das sein Herz höherschlagen lässt.

Foto der Anlage bei der Delica AG, welche die Kälte aus dem See für die Produktion von Glace nutzt.

Anfang 2021 haben Sie die neue Kälteanlage in Betrieb genommen. Davor standen fünf arbeitsintensive Jahre. Hat sich der Aufwand gelohnt?

Auf jeden Fall! Indem wir drei grosse Kälteanlagen zusammenhängen konnten, lässt sich die Abwärme an einem zentralen Punkt sammeln und zum Heizen nutzen. Heute kann ich eigentlich nur schwärmen. Nichtsdestotrotz war es ein Glück, dass ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Dank unseren kompetenten Partnerinnen und Partnern war jedoch kein Hindernis zu gross.

 

Was sind die ersten Erfahrungen mit dem neuen System?

Es läuft viel stabiler, da wir nicht mehr von der Aussentemperatur und der Luftfeuchtigkeit abhängig sind. Das Wasser aus dem See kommt stets mit sieben Grad bei uns in der Fabrik an. Kälteanlagen lieben eine solche Konstanz.

 

Nur gerade zehn Minuten dauert es zu Fuss von der Schiffstation in Meilen die Kirchgasse hoch zur Delica AG. Dank dieser kurzen Distanz spielt der Zürichsee seit einem Jahr eine wichtige Rolle im Produktionsalltag des Unternehmens. Wo früher zehn Kühltürme dafür sorgten, dass Glace gefriert, die Schoggi auf dem Gebäck nicht davonfliesst und die Produktionsräumlichkeiten klimatisiert werden, bringt heute kühles Seewasser die benötigte Kälte. Das spart jährlich rund 18 Millionen Liter Trinkwasser, braucht weniger umweltschädliche Kühlmittel und viel weniger Strom.

 

Wo lagen denn die Herausforderungen?

Schwierig gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Grundstück am See. Es hätte einfachere, günstigere und sicherere Möglichkeiten gegeben als die heutige Lösung beim Schiffsteg mit dem unterirdischen Pumpenhaus. Die Leitungen der Kirchgasse entlangzuführen, lag ebenfalls nicht auf der Hand, denn es gibt kürzere Routen. Aber wir wollten keine privaten Grundstücke unterqueren, um mögliche Einsprachen zu verhindern. Eine besondere Herausforderung war auch die interne Leitungsführung.

 

Das ist die Rohrleitung für den Rücklauf des Seewassers in der Seewasserzentrale bei der Delica AG.

Das Seewasser wird unmittelbar nach der Übertragung der Energie in einem getrennten System wieder in den See zurückgeleitet.

Gab es Überraschungen?

Die Leistung der Kälteanlage für die Backwarenabteilung hat sich annähernd verdoppelt. Der Grund dafür ist die konstante Temperatur des Seewassers. Allen Berechnungen zum Trotz war uns das nicht bewusst. Doch es gibt einen Wermutstropfen: Wenn eine Anlage so gleichmässig und effizient läuft, fällt weniger Abwärme an, die wir nutzen können.

 

Wer die Delica AG betritt, der sieht sie überall: Rohrleitungen. Sie führen den Wänden entlang, biegen um Ecken, schrauben sich in die Höhe und durchbrechen Decken und Böden. Darunter sind solche, die Mehl aus den Silos zu den Produktionsanlagen transportieren, solche für heisses Wasser zum Heizen – oder eben für kaltes Wasser zum Kühlen. Im Keller, gleich neben dem Hochregallager, wird dem Seewasser die Kälte entnommen und dem geschlossenen internen Kreislauf übergeben. Von da führen ein Zu- und ein Rücklauf zur ersten Kälteanlage, welche die Klimatisierung der Räume übernimmt. Danach weiter aufs Dach zur zweiten Kälteanlage für die Backwaren und von dort zur dritten für die Glaceproduktion. Rund 700 Meter Leitungen, für die ein möglichst einfacher und sicherer Weg durch die Fabrik gewählt wurde.

 

Die alten Kühltürme waren sehr wartungsintensiv. Wie halten Sie das neue System in Schuss?

Heute fallen 90 Prozent weniger Wartungsarbeiten an. Einmal pro Woche muss der Magnetfilter kurz gespült werden. Er reinigt die Leitungen von Partikeln, die beim Schweissen entstanden sind. Und einmal alle drei Monate brauchen die Motoren der Pumpen einen Stoss Schmierfett. Der momentan grösste Aufwand ist die Feinjustierung, Ende Jahr sollten wir damit aber durch sein.

 

Wie haben Sie die Zuständigkeiten für das Seewasserprojekt intern geregelt?

Ich war seit 2016 für das Projekt verantwortlich, habe in der Realisierungsphase jedoch die operative Leitung an meinen Kollegen, Robert Maag, übergeben. Diese Arbeitsteilung hat sich bewährt. Bei Problemen habe ich mich eingeschaltet, während mein Kollege als Projektleiter vor Ort ein ungetrübtes Verhältnis zu den Handwerkerinnen und Lieferanten pflegen konnte.

 

Bauarbeiten in einem Lebensmittelbetrieb erfordern besondere Sicherheitsmassnahmen und eine enge Begleitung der Handwerkerinnen und Handwerker. Überall markieren blaue, graue und rote Linien am Boden die verschiedenen Zonen. Wer die Produktion betritt, muss spezielle Arbeitskleidung tragen, in der grauen und roten Zone sind Haarnetze und Bartschutz Pflicht. Büroklammern sind überall verboten. Kabelbinder, Kugelschreiber und Verbandsmaterial müssen metalldetektierbar sein, um Fremdkörper in den Lebensmitteln sofort zu erkennen. Beim Bohren und Schweissen muss alles komplett staubdicht abgedichtet sein.

 

Die Umstellung des Kühlsystems ist geschafft. Sind schon neue Projekte geplant?

Dieses Jahr kommt eine zweite Solaranlage aufs Dach. Damit wir dafür Platz haben, müssen die Kühltürme und Kältemaschinen der alten Anlage zurückgebaut werden. In den nächsten Jahren stehen vor allem die Heisswasserprozesse im Fokus. Im Moment nutzen wir 110 Grad heisses Wasser, um beispielsweise Milch zu pasteurisieren. Wenn wir unsere Anlagen sukzessive anpassen, ist das auch mit weniger Hitze möglich. Ich will unbedingt unter die magische Grenze von 100 Grad kommen.

 

Weshalb?

Dann kann ich das Heisswasser anders als mit Gas erzeugen, etwa mit einer Wärmepumpe oder mit Holzpellets. Hier kommt wieder das grosse Ganze ins Spiel. Weil unsere Abwärme nicht ausreicht, um den geplanten Wärmeverbund von Energie 360° im Winter zu versorgen, ist zusätzlich eine Holzheizung geplant. Meine Vision ist, diesen Holzkessel im Sommer für unser Heisswasser zu nutzen. Durch das Zusammenspiel aller Parteien schaffen wir eine Gesamtlösung mit Hand und Fuss.

 

Portrait von Markus Müller

Durch das Zusammenspiel aller Parteien schaffen wir eine Gesamtlösung mit Hand und Fuss.

Markus Müller, Energiemanager Delica AG

 

Haben Sie einen Tipp, wenn ein Betrieb seine Heiz- und Kühlsysteme anpassen will?

Aus Gründen der Stabilität entschieden wir uns für Röhren aus Schwarzstahl. Das würden wir nicht mehr so machen. Chromstahl ist leichter und es gibt weniger Dreck beim Schleifen und Schweissen. Aber vor allem rate ich allen Industriebetrieben mit älteren Kälteanlagen: Schaut euch das genau an, da liegt enorm viel Potenzial drin!

 

Der Energieverbund Meilen wird mit Abwärme der Delica AG gespeist. Profitieren auch Sie von der nachhaltigen Energielösung.

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