Nachhaltiger Zucker dank Holzgas
Aus Holz wird Gas, aus Gas wird Strom: Energie 360° und die Schweizer Zucker AG realisieren in Frauenfeld gemeinsam ein Holzheizkraftwerk und gewinnen dort Strom, Wärme und Biokohle. Ein innovatives Projekt, das hoffentlich Schule macht.
- 29. März 2021
- Erneuerbare Energien nutzen
- Biogas, Geschäftsbericht 2020
Zum Herbst in Frauenfeld gehört ein süsslicher Geruch, der ungefähr von September bis zum Jahresende über der Stadt hängt: Er stammt aus der Fabrik der Schweizer Zucker AG im Westen der Stadt. Dort realisiert das Unternehmen nun gemeinsam mit Energie 360° ein Holzheizkraftwerk, die Bioenergie Frauenfeld AG. Es handelt sich dabei um eine der grössten Anlagen dieser Art in Europa. Die Energieversorgerin setzt als Gesamtprojektleiterin eine individuelle und massgeschneiderte Lösung um – die Zuckerfabrik profitiert darüber hinaus von dezentral produzierter ökologischer Heizwärme.
Das Holzheizkraftwerk produziert Strom für 8000 Haushalte, Wärme und Biokohle. Und das alles mit regionalen Holzabfällen.
Stefan Ellenbroek, Projektentwickler Lösungen
Neuartige Energiegewinnung
Als Energieträger nutzt das Kraftwerk Restholz. Daraus gewinnt es Strom und Wärme. «Das ist eine sehr innovative und hoch effiziente Form der Stromgewinnung aus Holz», sagt Stefan Ellenbroek, Projektentwickler bei Energie 360° und Gesamtprojektleiter Bioenergie Frauenfeld. Deshalb werde das Projekt vom Bund über das Einspeisevergütungssystem (EVS) finanziell unterstützt.
Zuckerfabrik investiert in Nachhaltigkeit
Die Schweizer Zucker AG verarbeitet in Frauenfeld jährlich 1 Mio. Tonnen Zuckerrüben und verfügt über grosses Know-how in industriellen Prozessen. Diese möchte das Unternehmen konsequent nachhaltiger gestalten, den CO2-Ausstoss reduzieren und die internen Energieflüsse optimieren. In Energie 360° hat die SZU AG dafür die passende Partnerin gefunden.
Das gehackte Holz durchläuft im Kraftwerk zunächst eine Trocknungsschlaufe. Anschliessend entsteht in einem thermochemischen Prozess bei 850° C ein gasförmiger Brennstoff, das Holzgas. Vier Gasmotoren produzieren daraus erneuerbaren Strom und Wärme. Die Wärme nutzt das System einerseits gleich selbst wieder zum Trocknen der Holzschnitzel, andererseits dient sie der Zuckerfabrik und den am Fernwärmenetz Wärme Frauenfeld West angeschlossenen Gebäuden als Heizwärme. Übrig bleibt die Biokohle, die jährlich rund 9000 Tonnen CO2 langfristig bindet. Sie findet vielfältig Verwendung, zum Beispiel in der Landwirtschaft als Düngemittel, als Futterzusatz für Nutztiere oder als nachhaltige Aktivkohle in der Wasseraufbereitung.
Energie ohne Abfall
Bei dieser Form der Energiegewinnung findet folglich alles eine Verwendung und es fallen keine Abfallstoffe wie hochbelastete Asche an. «Das macht den ganzen Prozess besonders nachhaltig», sagt Stefan Ellenbroek. Kommt hinzu: Für die Anlage sind keine hochwertigen Hackschnitzel nötig. «Das Holz muss naturbelassen sein, aber wir können Baumkronen, Käfer- und Sturmholz, Schnittholz aus der Landschaftspflege oder auch Holzabschnitte aus der Holzverarbeitungsindustrie verwenden.»

Rübis und stübis: Durch die Gewinnung von Gas aus Restholz wird die Bioenergie Frauenfeld AG Ökostrom und Ökowärme erzeugen – unter anderem für die Zuckerfabrik.
Bei der Lieferung des benötigten Rohstoffs achtet man auf kurze Wege: Das Holz wird vor Ort – im Wald, im Park, in der Holzwerkstatt – gehackt und dann direkt nach Frauenfeld gefahren. Unnötige Umwege und aufwendige Zwischenlagerungen sollen dabei möglichst vermieden werden.
Wärmeverbund wird mitausgebaut
Aber nicht nur die Zuckerfabrik profitiert vom neuen Kraftwerk. Mit der Lieferung von Wärme an den Wärmeverbund Wärme Frauenfeld West versorgt das Kraftwerk auch Haushalte im Umkreis der Zuckerfabrik. «Das Fernwärmenetz ist bereits 35 Jahre alt und zurzeit relativ klein. Mit dem Bau des Holzheizkraftwerks soll der bestehende Wärmeverbund jedoch erneuert und erheblich erweitert werden. Dies in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Frauenfeld und dem lokalen Energieversorger Thurplus», sagt Stefan Ellenbroek. In den nächsten Jahren sollen dank dem Holzheizkraftwerk rund 1000 Haushalte mit ökologischer Wärme beliefert werden.
Holz ist ein klimafreundlicher und nachwachsender Rohstoff, der zudem lokal verfügbar ist. Deshalb bietet sich die Nutzung von Holz als Energieträger an – nicht nur zur nachhaltigen Stromproduktion. Wärmeverbünde auf der Basis von Holzschnitzeln etwa ermöglichen das nachhaltige Heizen zahlreicher Liegenschaften. Anstatt von vielen einzelnen Öl- oder Gasheizungen stammt die Wärme von einer grossen Heizzentrale, die Holz als Energieträger nutzt. So reduzieren die Gemeinden ihren CO2-Ausstoss deutlich. Das jüngste «Holzschnitzel-Projekt» von Energie 360°: der Energieverbund im bernischen Lauterbrunnen.
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Das Pyrolysewerk in Frauenfeld finde ich grossartig und zukunftsweisend. Gibt es Erkenntnisse zur Wirtschaftlichkeit? Und planen Sie weitere solche Anlagen? Ein Ersatz des Holzheizkraftwerkes in Aubrugg mit einer solchen Anlage wäre wohl angebracht.
Lieber Herr Wüest
Zur Zeit ist ein wirtschaftlicher Betrieb mit den tiefen Strompreisen von Rund 5 Rp/kWh noch nicht möglich, weshalb das Projekt in Frauenfeld über das Energie Vergütungs System (EVS) des Bundes gefördert wird. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die Technologie mittelfristig bei günstigen Rahmenbedingungen auch ohne oder nur mit sehr geringer Förderung einsetzbar ist. Zum Technologieeinsatz in Aubrugg können wir leider keine Aussage machen, da wir nicht zu den Betreibern des Holzheizkraftwerkes gehören.
Freundliche Grüsse Ihr Energie360°-Team