Was mit Wasserstoff alles möglich ist

Da die Produktion von erneuerbarem Strom aus Windkraft- und Solaranlagen unregelmässig anfällt, kommt dem Speichermedium Wasserstoff eine zentrale Bedeutung zu. Seine Potenziale sind gross und die Einsatzmöglichkeiten vielfältig.

Blaue Wasserstoffmoleküle

Wasserstoff ist das leichteste und häufigste chemische Element unseres Planeten. H2, so seine molekulare Bezeichnung, steckt aber meist in Verbindungen fest. Die bekannteste davon: Wasser (H2O). Als Energieträger braucht man H2 aber alleine, also ohne Sauerstoff (O2).

Bisher wird der industriell genutzte Wasserstoff vor allem aus einer Reaktion von fossilem Erdgas mit Dampf und Umgebungsluft gewonnen. Das wird sich künftig ändern, da aus Klimaschutzgründen der Fokus auf «grünen» Wasserstoff gerichtet ist: Per Elektrolyse von Wasser trennen sich die Wasserstoffmoleküle vom Sauerstoff. Und nur wenn der dafür verwendete Strom aus Wasserkraft, Wind- oder Solaranlagen stammt, ist das erzeugte Gas auch punkto Herstellungsprozess wirklich CO2-frei. Die gesamte Wasserstoffwirtschaft steht und fällt also mit dem verfügbaren Volumen an erneuerbarer elektrischer Energie. Ausschliesslich grüner H2 hat auf lange Sicht Zukunft.

 

Kein grüner Wasserstoff ohne Erhöhung der Solarproduktion

Um den notwendigen Ökostrom für die Wasserstoffproduktion bereitzustellen, gilt es insbesondere, die Solarproduktion hochzufahren. Wie neuere Studien der Empa und der ETH/EPFL nahelegen, kommen alle anderen erneuerbaren Energieträger (Wasserkraft, Windkraft, Biomasse) system- und gesellschaftsbedingt zu langsam voran, um die Klimaziele zu erreichen. Die Sonne aber liefert 5000-mal mehr Energie auf die Erde, als weltweit verbraucht wird. Das bedeutet: In zwei Stunden strahlt die Sonne etwa gleich viel Energie auf die Erdoberfläche, wie die gesamte Erdbevölkerung in einem Jahr braucht. Solarmodule können auf Dächern, an Fassaden und überall dort, wo bereits Flächen versiegelt wurden, ohne negativen Einfluss auf die Biodiversität installiert werden. Da das Potenzial der Sonnenenergie für unsere Begriffe unendlich gross ist, aber unregelmässig anfällt, liesse sich daraus im Zusammenspiel mit gespeichertem Wasserstoff Bandenergie erzeugen, wie sie in der Schweiz bisher nur Kern- oder gewisse Wasserkraftwerke liefern konnten.

 

Sektorkopplung für mehr Klimaschutz

Das übergeordnete Ziel fast aller Wasserstoffanwendungen ist die Klimaneutralität. Grüner Wasserstoff ist vollkommen emissionsfrei und kann bedenkenlos eingesetzt werden. Im Mobilitätssektor rücken damit die Ziele näher, auch den Betrieb schwerer Lastfahrzeuge sowie des Schiffs- und Flugverkehrs emissionsärmer zu machen. Ein grosses Ziel der H2-Anwendungen ist auch die Sektorkopplung zur Verbindung von elektrischem Strom, von Mobilität und der Wärmeversorgung.

 

Rückverstromung

Wollen Besitzerinnen und Besitzer von Photovoltaikanlagen ihren Eigenverbrauch erhöhen, setzen sie dazu meist Batteriespeicher auf Basis moderner Lithium-Ionen-Akkus ein. So steht tagsüber produzierter, überschüssiger Solarstrom zur kurzfristigen späteren Nutzung bereit – also am Abend oder innerhalb der nächsten ein bis zwei (bewölkten) Tage. Theoretisch wäre auch eine langfristige Speicherung möglich. Hindernisse sind hier aber die hohen Kosten und der grosse Platzbedarf für kapazitätsstarke Hausbatteriespeicher.

Im Sommerhalbjahr produzierter überschüssiger Solarstrom lässt sich per Elektrolyse jedoch auch in Form von Wasserstoff speichern. Dieser wird durch einen Kompressor verdichtet und in einem Tanksystem gelagert. So wird es möglich, hohe Energiemengen auf kleinem Raum zu speichern. Die energetische Speicherkapazität von Wasserstoff ist um ein Vielfaches höher als jene von Batteriespeichern. Dieser H2 lässt sich später mithilfe von Brennstoffzellen dazu nutzen, elektrischen Strom zu produzieren, wobei auch viel emissionsfreie Wärme entsteht. Zwar sind die Wirkungsgradverluste beim Rückverstromen beträchtlich, doch dieser Punkt verliert im gleichen Mass an Relevanz, wie der weltweite Zuwachs an installierter Photovoltaikleistung steigt.

 

Ein einzelnes Windrad.

Produziert eine Windkraftanlage einmal mehr Strom, als die Konsumentinnen und Konsumenten verbrauchen, kann mit dem Überschuss an Energie grüner Wasserstoff hergestellt werden. Das macht die Energie für später nutzbar.

Wärmeversorgung

Anlagen zur Wärmeerzeugung im Fern- und Nahwärmenetz lassen sich mit grünem Wasserstoff praktisch CO2-frei betreiben, müssten dazu aber technisch umgerüstet werden. Für die kurz- und mittelfristige Energiezukunft kann Wasserstoff unter Zufügung von CO2 auch methanisiert und in die Gasinfrastruktur eingespeist werden. Bis 2050 sollen im Schweizer Gasnetz nur noch «klimaneutrale» Gase zirkulieren. Neben grünem Wasserstoff und dem daraus hergestellten synthetischen Methan zählt dazu auch Biogas, das aus organischen Reststoffen erzeugt wird.

 

Mobilität

Die Mobilität der Zukunft basiert auf Elektroantrieben ganz ohne Schadstoffemissionen – mit grünem Wasserstoff ist das heute schon möglich. Die besonders schnelle Tankzeit bringt dabei einen besonderen Vorteil gegenüber Batteriefahrzeugen. Die flächendeckende Errichtung öffentlicher H2-Tankstellen befindet sich noch im Aufbau. Immerhin zwölf davon sind in der Schweiz in Betrieb – in verschiedenen Regionen der Schweiz und strategisch gut auf die Hauptverkehrsachsen verteilt.

 

Mann hält Tankschlauch einer Wasserstofftankstelle mit H2-Logo drauf

Mit Wasserstoff tankt man so schnell wie mit Benzin oder Diesel. Und das Netz der Wasserstofftankstellen wird stetig dichter.

Synthetische Kraftstoffe

Neben der Produktion von synthetischem Gas (Power-to-Gas) kann Wasserstoff unter Zufügung von CO2 auch verflüssigt werden. Daraus lassen sich sogenannte E-Fuels erzeugen: synthetischer Diesel (bzw. Heizöl), synthetisches Kerosin oder synthetisches Benzin, die alle verschiedenen Eigenschaften haben und daher für Zwecke mit unterschiedlichen Anforderungen eingesetzt werden können. Die Zukunft der E-Fuels wird vor allem im Schwerverkehr, in der Schifffahrt und im Flugverkehr gesehen; Personenwagen sollen grösstenteils elektrifiziert werden. Trotzdem können E-Fuels dazu eingesetzt werden, den Lebenszyklus von Verbrennerfahrzeugen zu verlängern, da der «klimaneutral»- Status hierzulande einen hohen Stellenwert geniesst.

 

Klimafreundliche Industrie

Grosse Teile der Industrie nutzen weiterhin fossile Brennstoffe und stossen viel CO2 aus. Stahl-, Glas- und Ammoniakfabriken zum Beispiel betreiben ihre Anlagen mit Erdgas. Wo eine Umstellung auf elektrisch betriebene Prozesse nicht möglich ist, kann grüner Wasserstoff einspringen und immense Emissionsreduktionen erzielen. Durch den Aufbau einer umfassenden Wasserstoffwirtschaft lassen sich nicht zuletzt zahlreiche Arbeitsplätze in einem absoluten Zukunftsmarkt schaffen.

 

Alles über Energiespeicher

Wasserstoff ist nur eine von vielen Möglichkeiten, Energie für die spätere Nutzung aufzubewahren. Weitere Arten der Energiespeicherung lernen Sie auf unserer Wissensseite kennen.

Alles zu Energiespeicher

Kommentar verfassen*