Erneuerbare Energie: Syncraft liefert revolutionäre Technologie
Das Holzheizkraftwerk in Frauenfeld produziert Strom und Wärme – und bindet CO2 in Form von Pflanzenkohle. Die revolutionäre Technologie stammt vom Tiroler Unternehmen SynCraft GmbH. CEO und Mitgründer Marcel Huber blickt auf das Projekt zurück und erklärt, was es mit dem Begriff «Rückwärtskraftwerk» auf sich hat.
- 14. September 2022
- Erneuerbare Energien nutzen
- Energiewende, Nachhaltigkeit, Umwelt
Das Holzkraftwerk in Frauenfeld – ein Gemeinschaftsprojekt von Energie 360° und der Schweizer Zucker AG – ist «klimapositiv». Das bedeutet, die Produktion von Strom und Wärme emittiert weniger CO2, als sie aus den dafür benötigten Energiequellen bezieht. Möglich macht dies das Tiroler Unternehmen Syncraft. Es hat ein spezielles Verfahren entwickelt, Schwebebetttechnologie genannt, das mithilfe eines thermischen Prozesses (Pyrolyse) aus Holz Pflanzenkohle macht. Diese bindet das CO2, das bei der Strom- und Wärmeproduktion entsteht.

Waldrestholz eingelagert im Holzheizkraftwerk Bioenergie Frauenfeld
CEO Marcel Huber erklärt: «Kohlekraftwerke verbrennen bei der Energieerzeugung fossile Kohle, die früher aus Holz entstanden ist – und im Holz war das CO2 gebunden. Wir gehen den umgekehrten Weg: Wir vergasen Holz und produzieren Pflanzenkohle, die CO2 bindet.» Der Prozess gibt der Technologie den Beinamen Rückwärtskraftwerk. Entsprechend streicht Huber den Unterschied zu anderen nachhaltigen Energieträgern heraus: «Wind, Photovoltaik und Wasserkraft sind klimaneutral, können aber keinen Kohlenstoff aus der Atmosphäre entziehen.» Die Technologie von Syncraft hingegen stellt Energie bereit und führt gleichzeitig zu Negativemissionen.

Die Schwebebettreaktoren ermöglichen ein sauberes Trennen der Pflanzenkohle und des Holzgases für die Wärmeerzeugung.
Der hohe Gesamtwirkungsgrad kombiniert mit der entstehenden Pflanzenkohle, die der Atmosphäre aktiv CO2 entnimmt, macht unsere Technologie einzigartig.
Marcel Huber, CEO und Mitgründer von Syncraft
Weltweit einzigartiges Verfahren für Holzkraftwerke
Das Team von Marcel Huber hat die Technologie vor über 13 Jahren an der Tiroler Hochschule MCI entwickelt: «In der Zwischenzeit haben wir eine ganze Reihe von Patenten abgeschlossen.» Nebst der Produktion von Pflanzenkohle hat das Verfahren weitere Vorteile, ergänzt Huber: «Wir benötigen kein schönes Hackgut oder keine Pellets, sondern lediglich Waldrestholz. Dabei handelt es sich um Holz, das wir nicht anderweitig, zum Beispiel für Papier, nutzen können.» Dank der Schwebebetttechnologie ist das Holzheizkraftwerk flexibel bezüglich des eingesetzten Rohstoffs und erst noch tolerant bei Steinen und Nägeln. Dies erlaubt bei maximaler Rohstoffflexibilität höchste Wirkungsgrade.
Bioenergie Frauenfeld – eines der grössten Holzheizkraftwerke Europas
Energie 360° hat sich mit der Schweizer Zucker AG zur Gemeinschaftsfirma Bioenergie Frauenfeld AG zusammengeschlossen. Das gemeinsam realisierte Holzkraftwerk produziert Strom für rund 8000 Haushalte, zudem Wärme für die Zuckerfabrik sowie den Verbund Wärme Frauenfeld-West. Das Nebenprodukt Pflanzenkohle kommt als wertvoller Reststoff in der Landwirtschaft oder im Gartenbau zum Einsatz.
Innovation braucht Mut
Der CEO von Syncraft bezeichnet das Holzkraftwerk in Frauenfeld als innovativstes klimapositives Rückwärtskraftwerk der Welt: «Dieses Projekt ist im Kontext der Negativemissionen durchaus ein globaler Hingucker.» Es gibt zwar grössere Holzkraftwerke, doch aufgrund der aktiven CO2-Entnahme aus der Atmosphäre nimmt Syncraft eine Vorreiterrolle ein.

Eine Innovation, die auch das Klima freut: Geschätzt in der Landwirtschaft als Wasser- und Nährstoffspeicher wird die positive Wirkung der Pflanzenkohle unterdessen sogar in Baumaterialien erprobt.
Syncraft deckt mit ihrer nachhaltigen Technologie in der Energieproduktion nur eine Nische ab. Für ein innovatives Projekt dieser Grössenordnung brauchen sowohl Syncraft als auch die Auftraggebenden Mut. Marcel Huber weiss, wie er und sein Team Energie 360° vom Verfahren überzeugen konnte: «Ausschlaggebend war die offene Kommunikation. Wir besichtigten gemeinsam ein paar unserer kleineren Kraftwerke. Energie 360° hat sich mit vielen unserer Bestandskundinnen und -kunden unterhalten und war bei Services mit dabei.» Er betont, dass Kennzahlen auf dem Papier alleine nichts nützen. Es sei wichtig, etwas zu zeigen, das auch Substanz habe.
Der Dimension und den Umständen entsprechend war es eine aussergewöhnliche und sehr positive Zusammenarbeit mit Energie 360° und der Schweizer Zucker AG.
Erfolgreiche Zusammenarbeit: Inbetriebnahme nach 16 Monaten
Der Bau des Kraftwerks während der Coronapandemie war ein Kraftakt. Lieferverzögerungen im Bereich Chip und Steuerungstechnik bildeten einige Hürden. Auch die schweizerischen Sonderbestimmungen in Bezug auf das Arbeiten europäischer Nachbarn in der Schweiz während der Pandemie galt es zu berücksichtigen: Sie erschwerten das Vorhaben, Personal aus Österreich in die Schweiz zu schicken. Lachend fügt Huber hinzu: «Und dann war da noch die Herausforderung mit dem Schweizerdeutsch. Doch die Herausforderungen haben uns jeweils ein Stück mehr zusammengeschweisst.» Trotz der Umstände hat Syncraft zusammen mit Energie 360° und der Schweizer Zucker AG einen Volltreffer gelandet: «Es hört sich jetzt vielleicht kitschig an, aber besondere Herausforderungen gab es ansonsten nicht. Sonst hätten wir das Projekt auch nicht nach sportlichen 16 Monaten planmässig in Betrieb genommen», ergänzt Marcel Huber.

Kraftwerke dieser Art haben eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren. Währenddessen entstehen mit den Kundinnen und Kunden Langzeitpartnerschaften. Marcel Huber, CEO von Lieferant Syncraft, im Gespräch mit Stefan Ellenbroek, Projektleiter Lösungen von Energie 360°.
Das grosse Potenzial und die Herkulesaufgabe
«Was in den letzten drei Viertel Jahren passiert ist, haben wir so nicht erwartet», antwortet Marcel Huber auf die Frage, wie gross das Potenzial der klimapositiven Holzkraftwerke sei. «In den letzten 13 Jahren haben wir 31 Kraftwerke gebaut. Aktuell haben wir 28 Kraftwerke in bezahlter Vorbeauftragung.»
Die Investition in erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit ist notwendig. Über die aktuelle Klimalage sagt Marcel Huber: «Aktuell werden jährlich ungefähr 50 Gigatonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre ausgestossen. Die Bevölkerung ist immer noch auf dem falschen Weg. Der Auftrag der Energiestrategie lautet, dass unglaubliche 830 Gigatonnen CO2 bis Ende Jahrhundert wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen.» Zum Vergleich: Das Holzkraftwerk in Frauenfeld bindet pro Jahr etwa 10 000 Tonnen CO2. «Die Klimatechnologien müssen wir wie noch nie in der industriellen Geschichte skalieren. Das Ziel sind Systeme, die in der Grössenordnung von Gigatonnen Kohlenstoff entfernen können.» Diesem Ziel zollt Huber viel Respekt. «Ich bin mir aber sicher», ergänzt er, «dass es die Menschheit hinkriegt. Jedoch nur, wenn der Druck genügend gross ist. Über das Potenzial unserer Anlage mache ich mir keine Sorge. Die zu lösende Aufgabe ist jedoch riesig.»
Klimapositives Blockheizkraftwerk in Regensdorf geplant
Energie 360° plant mit Syncraft ein eigenes Blockheizkraftwerk in Regensdorf. Dabei orientiert sich das Konzept stark am Holzheizkraftwerk in Frauenfeld. Regensdorf könnte die erste Schwesteranlage werden. So weit es geht und Sinn macht, kann ein Projekt 1:1 kopiert werden. «Eine Dimension wie Frauenfeld haben wir so noch nie umgesetzt. Jetzt haben wir gesehen, dass es genau das kann, was es soll», ist Marcel Huber vom Konzept überzeugt.
Drei Fragen an Marcel Huber
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Firma SynCraft zu gründen?
Ich war vor der Firmengründung an der hiesigen Hochschule Management Center Innsbruck (MCI) als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später langjährig als Forschungsprojektleiter tätig. Ich war ein Verfahrenstechniker – eine Mischung zwischen Maschinenbau und Chemiker. Da hat mich das Umwandeln von Holz in Strom und Wärme schon immer fasziniert. Doch es gab bis dahin nichts, das die Aufgabe vernünftig und sinnvoll erfüllt hat. So habe ich zusammen mit zwei meiner damaligen Studenten das Unternehmen gegründet. Die Idee für das revolutionäre Verfahren ist uns spät in der Nacht eingefallen – und hat uns nicht mehr losgelassen.

Marcel Huber ist Mitgründer und CEO von Syncraft.
Haben Sie für frische Unternehmensgründer einen Tipp?
Es gibt eine goldene Regel für Unternehmerinnen und Unternehmer: Steh auf, wenn du am Boden liegst. Und fühle dich nie als etwas Besonderes (lacht). Doch wir dürfen nie vergessen: Wir machen das, wovon wir überzeugt sind, und leisten einen Beitrag ans Klima. Deshalb fühlen wir uns privilegiert.
Was ist Ihr persönlicher Antrieb, sich für die nachhaltige Energielösung einzusetzen?
Wenn man sich bewusst ist, um was es momentan wirklich geht, ist der Antrieb klar – da helfen mir sicherlich auch meine zwei Kinder. Für was könnte man die Zeit sinnvoller verwenden, als sich für die Nachhaltigkeit einzusetzen? Ich will meinen eigenen Beitrag für erneuerbare Energien leisten. Die Menschen haben ein interessantes Talent, die Sachen, die sie sehen, nicht zu sehen. Der Film «Don’t Look Up» zeigt unglaublich gut, welche Parallelen wir aktuell fahren. Wie manche Ausflüchte suchen, um nicht hinzusehen – bis es dann zu spät ist. Trotzdem bin ich optimistisch.
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